Andrea Lehwald: Krankenpflege-Personal finden und binden – Wie Sie ein attraktiver und begehrter Arbeitgeber werden

Die ehemalige Fachkrankenschwester und heutige Unternehmensberaterin Andrea Lehwald hat mit „Krankenpflege-Personal finden und binden“ (Verlag Schlütersche, 2019; Amazon Affiliate Link) einen Fachratgeber mit einem Blick von der Basis aus auf die Unternehmenskultur in Krankenhäusern vorgelegt.

Völlig neue Erfolgsmethoden oder geheime Topstrategien liefert sie nicht, aber die gibt es auch einfach nicht. Frau Lehwald geht den klassischen mühsamen, aber einzig wirksamen Weg über Mitarbeiterbefragungen (Status Quo Analyse), Optimierung der Personalgewinnung, Prozessoptimierung auf Station, Selbstreflektion als Arbeitgeber und Konkurrenzanalyse („Lernen von den Besten“). Ich stimme ihr absolut zu, wenn sie schreibt: „Jedoch gibt es kein Konzept, das Sie fertig aus der Schublade nehmen können {…] Ein dauerhafter Veränderungsprozess ist notwendig, der ständig analytisch betrachtet werden muss.“


Die Stärke des Buches ist das tiefgehende Know How der Fachkraft, die sich zur Expertin entwickelt hat und sowohl weiß, wie man mit einer Pflegekraft sprechen muss, um sie zu motivieren, als auch mit der Klinik-Direktion, um ihr das Versprechen abzuringen, nun wirklich mit vollem Einsatz daran zu arbeiten, ein attraktiver Arbeitgeber zu werden. Als neutral würde ich den von der Autorin als „bewusst sehr einfach“ bezeichneten Schreibstil bewerten: Er führt immerhin dazu, dass sich das Buch leichter lesen lässt als manches allzu fachchinesische Wissenschaftswerk. Bei manchen Kapiteln zum Beispiel zu den sozialen Netzwerken oder zur Generation Y wirkt das vermittelte Wissen eher angelesen als aus eigener Expertise, bietet aber dennoch erste Ansatzpunkte. In diesen Bereichen würde ich jedoch vertiefend andere Klassiker empfehlen.

Interview mit Andrea Lehwald: „Der Anfang vom Ende des Pflegenotstandes“

Andrea Lehwald bringt 20 Jahre Berufserfahrung aus der Pflege als Fachkrankenpflegerin für Anästhesie und Intensivpflege mit. Als selbstständige Honorarkraft war sie in 80 bis 90 Kliniken auch in der Schweiz im Einsatz und hat dort Arbeitsabläufe auf Station kennengelernt, die besser funktionieren als diejenigen in Deutschland. Ihr Wissen hat sie inzwischen in zahlreichen Vorträgen, Seminaren und Unternehmensberatungsprozessen professionell eingesetzt.

Was halten Sie davon, dass Krankenhäuser Pflegekräften 4.000 Euro Antrittsprämie zahlen?

Das finde ich völlig daneben. Wer wegen einer Prämie bei einem Arbeitgeber anfängt, der geht nicht aus Überzeugung dort arbeiten, sondern nur des Geldes wegen. Da sind andere Strategien nachhaltiger: Sich um das bestehende Personal kümmern, ihm Wertschätzung entgegenbringen. Wenn überhaupt mit Prämien gearbeitet wird, befürworte ich interne Prämien zum Beispiel für gute Verbesserungsvorschläge.

Wie kann man die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern?

Es sind durchaus verschiedene Arbeitszeitmodelle auch in der Pflege möglich: Fleximodelle, ein Springerpool, Teilzeitarbeit. Im klassischen 3-Schicht-System ist es schwierig, wenn junge Mütter mit 30 Prozent Arbeitszeit wiedereinsteigen möchten. Wir brauchen aber diese jungen Mütter! Es funktioniert in der Praxis sehr gut, auf Mitarbeiterwünsche einzugehen und ihnen zum Beispiel nur Früh- oder nur Nachtschichten zu übertragen. Dazu muss man die Arbeitsabläufe auf den Stationen flexibler gestalten. Wer sagt denn, dass Patienten unbedingt zu einer bestimmten Uhrzeit gewaschen werden müssen?

[WERBUNG] Hier geht’s zum Buch “Krankenpflege-Personal finden und binden: Wie Sie ein attraktiver und begehrter Arbeitgeber werden” von Andrea Lehwald. Seine Stärke ist das tiefgehende Know How der ehemaligen Fachkraft, die sich zur Expertin entwickelt hat und sowohl weiß, wie man mit einer Pflegekraft sprechen muss, um sie zu motivieren, als auch mit der Klinik-Direktion, um ihr das Versprechen abzuringen, nun wirklich mit vollem Einsatz daran zu arbeiten, ein attraktiver Arbeitgeber zu werden.

Was funktioniert in anderen Ländern in der Pflege besser?

In der Schweiz haben die Mitarbeitenden mehr Kompetenzen, sie dürfen mehr medizinische Tätigkeiten durchführen, und ihr Ansehen ist höher. Das liegt auch daran, dass die Patienten als Kunden gesehen werden. Sie werden mit einer gewissen Serviceorientierung behandelt. Dadurch behalten sie das Pflegepersonal in guter Erinnerung und das Image des Berufes steigt. Die Pflegeleitung auf der Intensivstation hat das gleiche Ansehen wie der Oberarzt. Es gibt bessere Absprachen zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal. Das ist unter anderem möglich, weil der Betreuungsschlüssel besser ist. Es gibt aber durchaus auch sehr gute Kliniken in Deutschland.

Was halten Sie von den Medienberichten über den Pflegenotstand?

Ich finde die negativen Schlagzeilen schlimm. Ich habe selbst Artikel für Fachmagazine verfasst und die Erfahrung gemacht, dass ein Artikel mit super Verbesserungsvorschlägen weniger gern gedruckt wurde als dramatische Geschichten über den Pflegenotstand aus dem Nähkästchen. Wenn ich sage: „Ich will den Ruf der Pflege retten, wieder für die Pflege begeistern“, hat niemand Interesse. Sobald etwas passiert, was man an die große Glocke hängen kann – Komplikationen, geschlossene Pflegeheime – dann wird groß und breit berichtet. Als Krankenpflegerin weiß man, wenn RTL mal wieder einen Undercover-Bericht sendet, dass das so nicht gewesen sein kann. Aber das wissen Außenstehende nicht, und so läuft noch der letzte Interessent weg. Das muss sich ändern. Wir müssen endlich schreiben: „Dies ist der Anfang vom Ende des Pflegenotstandes“.

Woher können Krankenhäuser Pflegekräfte nehmen?

Es gibt auch in der jungen Generation Leute, die in die Pflege wollen. Aber es werden nie die Massen in diesen Beruf strömen. Ein Teil der Lösung sind Pflegekräfte aus dem Ausland. Aktuell berate ich eine Klinik, die Pflegekräfte von den Philippinen holt. Sie bringen eine sehr gute Ausbildung mit, doch die sprachliche Barriere ist natürlich da. Man kann sie nicht einfach irgendwo hinpflanzen und hoffen, dass sie dort zufrieden sind. Ich kenne auch Pflegekräfte, die schnell wieder zurück in die Heimat gehen, zum Beispiel weil sie keine Grundpflege machen möchten, die zu Hause die Pflegehelfer übernehmen. Andererseits ist, wenn man sich Mühe gibt, die Integration eigentlich unproblematisch. Ich habe da nie Anfeindungen ausländischer Pflegekräfte erlebt.

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Worauf legen Sie in Ihrem Buch den Schwerpunkt?

Auch für engagierte Pflegekräfte gibt es irgendwo eine Schmerzgrenze: „Ich bin nun schon mehrere Wochenenden hintereinander eingesprungen, jetzt sind wieder fünf Kollegen krank und der Chef lehnt auch noch meine beantragte Weiterbildung ab.“ Spätestens dann fange ich an, mich nach einem anderen Arbeitgeber umzuschauen. Darum liegt mein Fokus auf der Mitarbeiterbindung. Wie kann man mit Anreizen wie einer Rentenversicherung, einem Sportprogramm oder einem besseren Gehalt Pflegepersonal langfristig binden? Im Buch gibt es Interviews mit einem Klinikdirektor und dem Deutschen Pflegerat. Es gibt eine Vorlage für eine sinnvolle Mitarbeiterbefragung. Denn die Standardfragebögen von „Great Place to Work“ und Co. sind lang und werden von den Mitarbeitenden sehr ungern ausgefüllt. Meist machen sie die Erfahrung, dass sie sich danach irgendwelche Auswertungsstatistiken ansehen können, mit denen sie nichts anfangen können, und es bleibt doch alles beim Alten. Wir haben neue Fragebögen entwickelt, die darauf abzielen herauszufinden, wo es wirklich hakt in diesem ganz konkreten Haus. Auch wenn es banal klingt: Wertschätzung ist die Lösung: Der Pflegedirektor muss mal auf Station kommen und fragen: „Wie geht’s euch?“ Ich kenne Krankenhäuser, da arbeitet der Pflegedirektor im Spätdienst mit oder geht persönlich in die Küche, um den Mitarbeitenden zu erklären, dass sie in die Veränderungsprozesse einbezogen werden. Das hat einen wahnsinnig positiven Effekt. Wenn man davon nur ein bisschen was übernehmen könnte, hätte man sehr, sehr viel gewonnen!

Welche Ergebnisse erzielen Sie mit Ihrer Beratung in den Kliniken?

Im Buch beschreibe ich anhand eines Beispielkunden aus Norddeutschland, was wir durch die Mitarbeiterbefragung, die Überarbeitung der Webseite, die Produktion eines Imagevideos und weitere Maßnahmen erreicht haben: Das Haus gewann ein Vielfaches an Bewerbern. Ein Großteil der offenen Stellen konnte bereits in den ersten Wochen besetzt werden. Eine erneute Mitarbeiterbefragung nach drei Monaten zeigte eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit um 50 Prozent. Einige Skeptiker, die den Veränderungsprozessen anfangs nicht trauten, zeigten sich zunehmend zuversichtlich.

Diese Tipps aus „Krankenpflege-Personal finden und binden“ von Andrea Lehwald haben mir besonders gut gefallen

  • Holen Sie sich externe Hilfe, auch wenn Sie der Ansicht sind, eine Mitarbeiterbefragung oder eine neue Mitarbeiterbindungsstrategie selbst entwickeln und durchführen zu können. Es hat einfach einen größeren Effekt, wenn die Mitarbeitenden sehen, dass Experten von außen gefragt werden („Endlich tut sich was“).
  • Nutzen Sie das 80:20-Modell als Anreiz für Pflegekräfte: 80 Prozent arbeiten, aber bei vollem Lohn. So reduziert sich die persönliche Arbeitsbelastung der Bestandsmitarbeiter (sie erfahren also eine Belohnung für ihren Einsatz) und neue Bewerber*innen erhalten einen qualitativen Anreiz, der sich von den „Rattenfänger-Methoden“ wie Antrittsprämien wohltuend abhebt.
  • Besorgen Sie hochwertige Werbegeschenke mit einem Aufdruck à la „Danke, dass du dich für deinen Arbeitgeber einsetzt“. Diese können Sie zu den verschiedensten Gelegenheiten an Mitarbeitende verteilen, um Ihre Wertschätzung auszudrücken: zum Beispiel wenn jemand Ihre Stellenanzeigen regelmäßig in seinem privaten Facebook-Kanal teilt oder wenn ein Team längere Zeit den Ausfall von kranken Kollegen kompensiert hat.
  • Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden direkt nach Verbesserungsvorschlägen („Wie können wir der beste Arbeitgeber in der Gesundheitsbranche werden?“) und setzen Sie diese um. Meist sind es nämlich gar keine unmöglichen Wünsche, die geäußert werden. In Beispielfällen aus dem Buch „Krankenpflege-Personal finden und binden“ würden die Mitarbeitenden gerne unbezahlten Urlaub nehmen, selber ihren Dienstplan schreiben und von Teamleitern und Ärzten freundlicher behandelt werden. Ja, warum denn nicht? Das kostet alles kein Geld.
  • Lassen Sie sich von den Gewinnern des Awards „Deutschlands Beste Klinik-Webseite“ und Facebook-Kanälen von Krankenhäusern, die eine hohe Fan- und Followerzahl haben, inspirieren.
  • Binden Sie Ihre jungen Mitarbeitenden aktiv in die Planung der Aktivitäten im Online-Personalmarketing ein. Meist sind sie ohnehin sehr umtriebig in den sozialen Netzwerken und bringen Ideen und Eigeninitiative ein, die unbezahlbar sind.
  • Geben Sie Mitarbeitenden, die zu Fort- oder Weiterbildungen gehen, konkrete Stellenanzeigen bzw. den Auftrag mit, nach Personen Ausschau zu halten, die für bestimmte offene Positionen geeignet wären. In der Fortbildung lernen Ihre Mitarbeitenden Personal aus anderen Krankenhäusern kennen und können direkt Kontakt knüpfen.
  • Laden Sie zu Vorstellungsgesprächen unbedingt auch einen Kollegen aus dem Pflegeteam ein, in dem der Bewerber eingesetzt werden soll. Das zeigt dem Bewerber, dass die Pflege Mitspracherecht hat und wertgeschätzt wird, und ist ein wichtiges Argument für ihn, eine angebotene Stelle anzutreten. Setzen Sie niemals einen Bewerber, der sich für eine bestimmte Station beworben hat, aus Personalnot auf einer anderen Station ein. Das nehmen Ihnen sowohl die Bewerber/neuen Mitarbeiter als auch die Teams übel.

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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für den tollen Beitrag. Sie haben recht, es wird viel Personal für Pflegeberufe gesucht. Ihren Tipp, sich externe Hilfe zu suchen, auch wenn man der Ansicht ist, eine Mitarbeiterbefragung oder eine neue Mitarbeiterbindungsstrategie selbst entwickeln und durchführen zu können, werde ich auf jeden Fall beherzigen. Ich such auch schon seit langem Personal für die Krankenpfleger in Linz und möchte mich nun gerne an ein Personaldienstleistungsunternehmen wenden.

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