Yve Beigel, 49, ist vor etwa anderthalb Jahren aus der Gastronomie in ein Forschungsinstitut gewechselt, wo sie die Büroorganisation übernommen hat. Zuvor hatte sie ein eigenes Café geführt und als Eventmanagerin im Bereich Schiffsrestaurant/Reederei im gehobenen Segment gearbeitet. Dass ihr danach niemand mehr etwas im Organisieren vormachen kann, ist klar! Für meinen neuen Fachratgeber „Quereinstieg: Potenziale nutzen, Personallücken schließen“ (Walhalla Fachverlag, 2025) habe ich die Quereinsteigerin interviewt. Einen Auszug könnt ihr hier lesen, den Rest dann im Buch.

Was waren Ihre ersten beruflichen Schritte?

Ich habe nach der Schule zuerst eine Ausbildung als Bankkauffrau gemacht. Weil der Job gut bezahlt und die Kolleginnen nett waren, bin ich nach der Ausbildung noch einige Jahre in der Bank geblieben. Es war eine Vernunftentscheidung, lag aber auch am Team. Auf eine gute Arbeitsatmosphäre kommt es mir am meisten an! Geblieben bin ich bis zur Bankenkrise. Langsam hatte sich der Wunsch verfestigt, etwas anderes zu machen, und als sich die Chance bot, mit einer Abfindung zu gehen, habe ich sie ergriffen.

Ohne eine konkrete Vorstellung, welchen Berufswunsch ich damit verbinde, habe ich rein aus Interesse mit 27 Jahren ein Studium der Europäischen Medienwissenschaften an der Universität Potsdam aufgenommen und es auch abgeschlossen. Danach habe ich mich gegen ein Masterstudium und für ein Jobangebot bei der Filmförderungsanstalt entschieden, bei der ich schon einen Studentenjob gehabt hatte. Es war wieder eine Vernunftentscheidung, denn inzwischen dachte ich an die Familiengründung und wollte mir den Anspruch auf Elterngeld erarbeiten.

Im dritten Anlauf haben Sie sich dann aber einen Traum verwirklicht …

In der Elternzeit habe ich beschlossen, ein Kindercafé zu eröffnen. Das kam auch nicht aus heiterem Himmel, denn ich hatte als Studentin in Cafés und Bars gejobbt. Vom Barkeeper-Lehrgang über die Barista-Ausbildung hatte ich einige Fortbildungen mitgemacht – praktisch die ganze „Gastroschiene“, außer kochen. Kindercafés waren damals in unserem Stadtteil ein Trend. Die jungen Eltern wünschten sich Möglichkeiten auszugehen, die kinderkompatibel und trotzdem hip waren. Als ich meinen Businessplan schrieb, gab es erst ein anderes Etablissement dieser Art im Umfeld. Mein Konzept sah vor, Kinder und Kultur zu kombinieren, ich wollte Lesungen, Musikabende, Eltern- und Kind-Kurse anbieten. Mir gefiel die Idee, alles unter einen Hut zu bringen, aber wie sich herausstellte, war es eine recht romantische Vorstellung.

Ich habe das Café sieben Jahre lang betrieben, aber verschiedene Faktoren haben dazu geführt, dass ich es nicht halten konnte. Zum einen hat das Konzept nicht funktioniert. Wenn die jungen Eltern Kultur erleben wollten, besorgten sie sich einen Babysitter und gingen woanders hin. Zu mir kamen sie, um stundenlang bei einem Milchkaffee am Tisch zu sitzen und ihre Kinder ins Spielzimmer zu schicken. Den Proviant für die Kinder brachten sie gleich selbst mit, anstatt bei mir etwas zu kaufen. Aber am schlimmsten war, dass mein Unique Selling Point (Alleinstellungsmerkmal) verloren ging, als der Spielplatz gegenüber des Cafés für anderthalb Jahre gesperrt wurde. Wir haben zwar noch eine Initiative gestartet und 15.000 Euro für die Sanierung zusammengetrommelt, aber da war es schon zu spät.

Wie ging es weiter, nachdem Ihr Traum nicht aufgegangen war wie geplant?

Ich musste mich also wieder nach Alternativen umschauen. Spätestens im Kindercafé habe ich gemerkt, dass meine Kernkompetenz das Organisieren ist, und so habe ich einen Job als Eventmanagerin in der gehobenen Gastronomie angenommen. In einem Zweierteam haben wir das Restaurant am Wasser praktisch in fünf Jahren zur Eventlocation ausgebaut.

Der nächste Wechsel in eine private Reederei lag dann recht nahe. Ich wurde mit dem Anreiz abgeworben, mein Binnenschifffahrtspatent zu machen, also die Ausbildung zur Kapitänin. Anfangs waren wir ein kleines Unternehmen aus drei, vier Mitarbeitenden und ich habe alles gemacht: Eventmanagement, Serviceleitung, Recruiting, Buchhaltung, Marketing, Vertragswesen, ich bin das Schiff gefahren und habe die Events organisiert und für einen reibungslosen Ablauf gesorgt. Schließlich sind wir auf ein Team aus zehn Mitarbeitenden gewachsen.

Aber irgendwann regte sich in mir wieder der Wunsch nach Veränderung. Ich hatte keine Lust mehr, für den Konsum und Tourismus zu arbeiten. Ich wollte etwas Sinnstiftendes mit meiner Arbeitszeit anfangen, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, und sei er noch so klein. Nun organisiere ich die Administration eines Forschungsinstituts für Umweltschutz mit etwa einhundert Mitarbeitenden.

Würden Sie sich als Quereinsteigerin im Office Management definieren?

Eigentlich war jeder meiner beruflichen Schritte ein Quereinstieg. Sich mit Mitte 40 als Anfängerin auf einem Schiff den gestandenen Kapitänen entgegenzustellen, ist ein krasser Schritt. Für mich ist „Quereinstieg“ ein positiv besetzter Begriff. Ich finde Menschen, die die Neuorientierung wagen, sehr mutig. Sie haben einen schlechteren Stand, weil sie nicht 100 Prozent ausgebildet sind, müssen im fortgeschrittenen Alter noch einmal lernen, obwohl sie eigentlich keine Zeit und vielleicht auch weniger Kraft dazu haben. Und sie machen das oft für Berufe, in denen die Arbeitsbedingungen nicht besonders attraktiv sind – wie Lehrer oder Erzieher. Ich habe wirklich großen Respekt vor diesen Leuten.

Seltsamerweise kommt mir mein eigener Werdegang gar nicht besonders mutig, sondern eher normal vor. Obwohl – auf mein Binnenschifffahrtspatent bin ich schon stolz! Aber der letzte Wechsel zu meiner aktuellen Position war sicher der größte Bruch. Zum ersten Mal seit vielen Jahren habe ich einen Bürojob und feste Arbeitszeiten, arbeite unter vielen Mitarbeitenden und muss mich in ein großes Gefüge eingliedern. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, zu denjenigen zu gehören, die am Wochenende oder an Feiertagen frei haben. Das ist für mich nach all den Jahren ein großes Privileg.

Für mich ist es übrigens unerheblich, ob ich in einem Unternehmen arbeite, das hundert oder nur zehn Mitarbeitende hat. Die Herangehensweise für die Lösung eines Problems funktioniert immer über Kommunikation – zunächst mit einzelnen oder einigen wenigen Personen und dann im zweiten Schritt meist schon als Lösungsvorschlag oder Entscheidung an alle Mitarbeitenden.

Weiterlesen im Fachratgeber

Auf folgende Fragen geht Yve Beigel in meinem Fachratgeber „Quereinstieg: Potenziale nutzen, Personallücken schließen“ (Walhalla Fachverlag, 2025) ein. Ihre Antworten sind dabei extrem erhellend für Unternehmen, die ein strukturiertes Quereinsteiger*innen-Programm aufsetzen möchten, im Rahmen dessen Quereinsteigende auch wirklich nachhaltig an Bord bleiben:

  • Welche Reaktionen erleben Sie auf Ihren abwechslungsreichen Lebenslauf?
  • Wie lief das Onboarding im Forschungsinstitut aus Ihrer Perspektive als Quereinsteigende?
  • Welche besonderen Kompetenzen bringen Sie als Quereinsteigerin aus Ihren verschiedenen beruflichen Stationen mit?
  • Was sind Ihre Tipps für Unternehmen, die Quereinsteigende rekrutieren möchten?
  • Was sind Ihre Tipps für andere Berufstätige, die mit einem Quereinstieg liebäugeln?

Ob als umgeschulte Betreuungskraft in einer Pflegeeinrichtung oder als Informatikerin beim Bundesverwaltungsamt, als Musiker im Lehramt oder Hausnotruf-Kundenbetreuerin ganz ohne Qualifikation – Quereinsteigende bilden eine tragende Säulein vielen Berufsfeldern. Längst nicht mehr nur als Notlösung, sondern zunehmend als wichtige Stellschraube gegen den Fachkräfte- und Personalmangel verstanden, sind sie gefragt wie nie. Und mit engagierter Personalentwicklung oft sogar mittelfristig als „echte“ Fachkräfte einsetzbar.

In meinem Fachratgeber „Quereinstieg: Potenziale nutzen, Personallücken schließen: Ein Recruitingleitfaden für Behörden und gemeinnützige Organisationen“ (Maja Roedenbeck Schäfer, Walhalla Fachverlag, 2025) erfahrt ihr mehr über die Erfolgsfaktoren eines strukturierten Quereinsteiger-Programms. Außerdem gibt es Best Practice-Beispiele u.a. aus den Bereichen Kita, Pflege und Verwaltung.

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