Als größter freier Kita-Träger in Bremen ist der Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in der Bremischen Evanglischen Kirche bei innovativen Fachkräftegewinnungsformaten ganz vorne mit dabei. Denn die herkömmlichen Wege decken den Bedarf nicht vollständig ab. Warum die Quereinsteigerregelungen des Bremer Senats seiner Erfahrung nach nicht zielführend sind und mit welchem eigenen Quereinsteiger-Programm die Ev. Kitas Bremen erfolgreich an den Start gegangen sind, erzählt Leiter Dr. Carsten Schlepper im Interview.

Seit wann setzt Ihr Träger bei der Personalgewinnung auf Quereinsteigende?

Der Klassiker der Personalgewinnung im Kita-Bereich ist die Beschäftigung von auszubildenden Erzieherinnen und Erziehern im Anerkennungsjahr, das sich an die zweijährige schulische Ausbildung anschließt und vergütet wird. Wir setzen seit vielen Jahren Anerkennungspraktikantinnen und -praktikanten zusätzlich in unseren Teams ein, die wir dann auch häufig in die Festanstellung übernehmen.

In den vergangenen sechs bis acht Jahren haben wir unsere Formate für die Fachkräftegewinnung allerdings erweitert. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Erzieherausbildung ist die praxisintegrierte dreijährige Ausbildung entstanden, die von Anfang an vergütet wird. Außerdem eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung, bei der es sich um ein trägereigenes Modell handelt. Und dann gibt es noch die Quereinsteigerregelung der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung.

Mit welchem Format machen Sie die besten Erfahrungen?

Die Quereinsteigerregelungen der Länder für den Erzieherberuf sind ja sehr unterschiedlich und die Bremer Regelung ist unzulänglich. Die Zielgruppe ist viel zu eng gesteckt, noch enger als in anderen Bundesländern wie etwa Hamburg. Man muss vorher schon eine Ausbildung mit pädagogischen Anteilen gemacht haben, um diesen Weg gehen zu können. Die studierte Soziologin mit dem Schwerpunkt Pädagogik wäre ein Klassiker oder die Logopädin.

Doch diese Berufsgruppen sind ja ohnehin schon im Umfeld der Kindertagesbetreuung tätig. Sie haben bei der Berufswahl den Erzieherberuf sicher schon auf dem Schirm gehabt und aus individuellen Gründen verworfen. Zwar gibt es vereinzelt Logopädinnen und Logopäden oder Ergotherapeutinnen und -therapeuten, die aus der Selbstständigkeit in eine Festanstellung wechseln möchten. Aber ein Erfolgsmodell ist das nicht. Die meisten haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Als Erzieherin oder Erzieher in der Kita würden sie weniger als in ihren ursprünglichen Berufen verdienen. Sie müssten einen Ergänzungskurs in Pädagogik absolvieren und wären am Ende trotzdem keine staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erzieher, die in allen Bundesländern einen Job bekämen – nicht einmal im benachbarten Niedersachsen. Sie können nur in Bremen auf Fachkraftstellen eingesetzt werden. Das ist nicht attraktiv und dementsprechend wenige Bewerbungen aus dieser Zielgruppe erhalten wir.

Dieser Versuch, Berufsgruppen an uns zu binden, die wir selten wirklich begeistern können, ist für uns nicht wirklich ein Quereinsteigermodell. Der Quereinstieg kann nur gut gelingen, wenn man den Kandidatinnen und Kandidaten auch eine staatliche Anerkennung ermöglicht. Das sind schließlich gestandene Leute, die ihr Brot verdienen müssen. Wir haben diese Erfahrungen und Argumente immer wieder angebracht und als Beispiel die Hamburger Regelung eingebracht, über die vor drei, vier Jahren mit einer großen Kampagne ein Schwung zusätzlicher Fachkräfte an Bord geholt werden konnte, sind aber bisher nicht damit durchgedrungen. Letztendlich haben wir uns entschlossen, unseren eigenen Weg zu gehen.

Wie unterscheidet sich Ihr trägereigenes Modell von dem Modell des Senats?

Wir haben uns als Arbeitgeber entschieden, im großen Stil ungelernte Personen als Assistenzkräfte einzustellen. 30 bis 40 Planstellen sind dafür vorgesehen. Wir haben ein neues Berufsprofil namens Kitaassistenz mit einer ordentlichen Stellenbeschreibung für Mitarbeitende in dieser Rolle entwickelt. Sie unterstützen unsere Erzieherinnen und Erzieher bei Routineaufgaben. Nach einer Probe- und Einarbeitungszeit finanzieren wir den Quereinsteigenden eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher in Kooperation mit zwei Bildungsträgern in Bremen. Für den Theorieunterricht werden sie bezahlt von der Arbeit freigestellt. Nach dem Abschluss bleiben sie in der Regel bei uns. Insgesamt funktioniert das Modell bislang allerdings nur in Vollzeit, das ist das einzige Manko.

Hintergrund ist die Zusage der Senatorin für Kinder und Bildung, dass wir nicht verausgabte Mittel im Personalbereich nutzen können, um ungelernte Kräfte einzusetzen. Dabei müssen wir den Fachkraft-Kind-Schlüssel beachten, der in den Richtlinien vorgegeben ist. Der Zugang zur zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung setzt einen mittleren Bildungsabschluss, dreijährige einschlägige Berufserfahrung im Feld und begleitend zur Ausbildung den weiteren Einsatz im Feld voraus (wobei es Alternativen gibt). Die grundständige Weiterbildung zur staatlichen Anerkennung ist Bestandteil der vierjährigen Ausbildung für Absolventinnen und Absolventen mit Hauptschulabschluss über Berufsfachschule und Fachschule.

Wie finanzieren Sie die berufsbegleitende Ausbildung?

Sie ist nicht zu hundert Prozent refinanziert. Wir müssen zusätzlich zum Gehalt einer Vollzeitstelle 17.000 Euro pro Person für die zwei Jahre aufbringen. Einige Teilnehmende bekommen eine individuelle Förderung für die Ausbildungsgebühren von der Arbeitsagentur von bis zu einhundert Prozent über das Qualifizierungschancengesetz oder andere Programme.

Unsere Bremer Senatorin für Kinder und Bildung bietet zudem ein „On the job“-Förderprogramm an. Dafür kommen zwar nicht die ungelernten Assistenzkräfte, aber die Kinderpflegerinnen und -pfleger sowie Sozialassistentinnen und -assistenten mit Berufsfachschulabschluss infrage, die ja auch bei uns arbeiten. Wenn wir sie in der berufsbegleitenden Ausbildung zu staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern weiterbilden, übernimmt der Senat anteilig das Gehalt in der Zeit, die sie in der Bildungsstätte im Theorieunterricht verbringen.

Ansonsten rechnen wir die Kosten ganz einfach gegen: Was wir in die berufsbegleitende Ausbildung stecken, sparen wir an anderer Stelle an Rekrutierungsmaßnahmen. Das Programm ist ein guter Hebel im Kampf gegen den Fachkräftemangel und zahlt sich auf jeden Fall aus.

Weiterlesen im Fachratgeber

Auf folgende Fragen geht Dr. Carsten Schlepper in meinem Fachratgeber „Quereinstieg: Potenziale nutzen, Personallücken schließen“ (Walhalla Fachverlag, 2025) ein:

  • Welche Hintergründe bringen die Bewerber*innen für Ihr Quereinsteiger-Programm mit?
  • Worauf achten Sie bei der Bewerber*innen-Auswahl, um möglichst viele erfolgreiche Quereinstiege zu verwirklichen?
  • Mit welchen Bewerber*innen ist es schwieriger?
  • Wie wirken sie Abbrüchen entgegen?
  • Wie integrieren Sie die Quereinsteigenden nachhaltig in die Fachkräfte-Teams?

Ob als umgeschulte Betreuungskraft in einer Pflegeeinrichtung oder als Informatikerin beim Bundesverwaltungsamt, als Musiker im Lehramt oder Hausnotruf-Kundenbetreuerin ganz ohne Qualifikation – Quereinsteigende bilden eine tragende Säulein vielen Berufsfeldern. Längst nicht mehr nur als Notlösung, sondern zunehmend als wichtige Stellschraube gegen den Fachkräfte- und Personalmangel verstanden, sind sie gefragt wie nie. Und mit engagierter Personalentwicklung oft sogar mittelfristig als „echte“ Fachkräfte einsetzbar.

In meinem Fachratgeber „Quereinstieg: Potenziale nutzen, Personallücken schließen: Ein Recruitingleitfaden für Behörden und gemeinnützige Organisationen“ (Maja Roedenbeck Schäfer, Walhalla Fachverlag, 2025) erfahrt ihr mehr über die Erfolgsfaktoren eines strukturierten Quereinsteiger-Programms. Außerdem gibt es Best Practice-Beispiele u.a. aus den Bereichen Kita, Pflege und Verwaltung.

Titelfoto: Pixabay

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