Der Personaldienstleister CareFlex, der zur Ev. Stiftung Alsterdorf gehört, hat bereits rund 110 Fachkräfte aus dem Ausland an Pflegeeinrichtungen und Kliniken in Norddeutschland vermittelt, unter anderem Pflegekräfte aus Italien.

Der Erfolg, trotz aller Hürden, ist unter anderem im persönlichen Engagement des CareFlex-Geschäftsführers Reinhold Schirren begründet. Er finde die Zusammenarbeit mit internationalen Fachkräften unheimlich spannend, so der 50-Jährige, und betrachte eine Diversität in der Mitarbeiterschaft als Bereicherung.

Was waren Ihre ersten Berührungspunkte mit dem internationalen Recruiting?

Wir haben ein Pilotprojekt des Arbeitgeberverbands Pflege mit China begleitet. Es wurde von der Bundesregierung unterstützt, die die Genehmigung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung für die Arbeitsaufnahme der Pflegekräfte aus China zusicherte. 40 bis 50 Personen wurden damals nach Deutschland geholt. Wir von CareFlex haben das Auswahlverfahren begleitet und ein Integrationskonzept entwickelt. Doch das Projekt ist im Sande verlaufen, weil es nach einem Geschäftsführerwechsel im Verband nicht mehr mit Nachdruck weiterbetrieben wurde. Grundlegende Differenzen mit der chinesischen Partnerorganisation führten später zur vollständigen Einstellung. Auf jeden Fall haben wir aus diesem Projekt viel gelernt.

Wie ging es weiter?

Als nächstes haben wir uns dann in Spanien nach Fachkräften umgesehen. Doch dort war es schwierig, Interessenten zu finden, denn in den Jahren 2012/13 waren Fachkräfte aus Spanien in größeren Gruppen nach Deutschland geholt worden und hatten hier schlechte Erfahrungen gemacht. Der Ruf unseres Landes war angeknackst. Wir haben trotzdem ganz gute Erfolge erzielt und fünf spanische Arbeitskräfte an zwei Hamburger Kliniken vermittelt, die auch zwei, drei Jahre nach der Einreise dort noch beschäftigt sind. Doch unser Partner in Madrid, eine Sprachschule, sagte uns irgendwann, dass trotz großem Aufwand kaum Interessenten mehr gefunden werden könnten.

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Wie haben Sie Ihre Strategie dann geändert?

Seit drei Jahren sind wir jetzt in Italien aktiv und rekrutieren Pflegekräfte aus Italien. Wir betreiben selbst Online-Personalmarketing, zum Beispiel bewerben wir unsere italienischen Stellenanzeigen mit Google Adwords, veröffentlichen Stellenanzeigen auf nationalen  Online-Jobbörsen u.a.  von Universitäten,  haben eine Facebook-Seite auf Italienisch und eine italienische Version unserer Webseite: www.careflex.it. Außerdem arbeiten wir direkt mit Partnern in Italien zusammen: mit der italienischen Arbeitsagentur, mit dem Goethezentrum in Palermo und mit Universitäten. Schließlich kooperieren seit einem Jahr mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit.  Es gibt aber auch bereits erste Kontakte nach Griechenland.

Wer übernimmt bei Ihnen die Verantwortung für das internationale Recruiting?

Ich als Geschäftsführer bin hauptverantwortlich. Anfangs war ich sehr stark involviert, inzwischen weniger. Wenn es darum geht, Kontakte im Ausland zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen, ist es immer besser, wenn die Geschäftsführung dabei ist. Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, die Partner zu kennen, um gute Entscheidungen treffen zu können. Ich will wissen, ob die Chemie stimmt. Zu den Auswahlgesprächen in Italien begleiten uns teils auch Kunden, also deutsche Arbeitgeber, die internationale Fachkräfte beschäftigen möchten.

[WERBUNG] Integrationscoach, Mentor, Geschäftsführer: Mitarbeitende aus verschiedenen Hierarchieebenen sollten sich um die Integration kümmern. Wie die Aufgabenteilung funktionieren kann, lest ihr in „Wie die Anwerbung von ausländischen Fachkräften gut gelingen kann“ von Maja Roedenbeck Schäfer (Walhalla Verlag, 2018; Amazon Affiliate Link). Idealerweise habt ihr außerdem einen Muttersprachler im Haus, der mit den ausländischen Fachkräften zunächst in ihrer Heimatsprache kommunizieren kann. Wann es langsam an der Zeit ist, ins Deutsche umzuschwenken, lest ihr ebenfalls in meinem Fachratgeber.

Im Arbeitsalltag haben wir zwei Kolleginnen, die in Teilzeit arbeiten und sich um das internationale Recruiting kümmern. Eine ist selbst Italienerin und betreut als Integrationscoach und Ansprechpartnerin in ihrer Muttersprache die eingereisten Pflegekräfte aus Italien. Sie ist eine zentrale Figur und ein wichtiger Erfolgsfaktor. Eine zweite Italienerin stößt bald zum Team und ersetzt eine Kollegin, die in Elternzeit geht.

Wieviel Aufwand bedeutet die Anwerbung der Pflegekräfte aus Italien?

Die Gewinnung der Pflegekräfte aus Italien ist ein anspruchsvolles Vorhaben. Wenn man Qualität und Nachhaltigkeit gewährleisten möchte, was ein zentraler Bestandteil unseres Konzepts ist, muss man sehr sorgfältig vorgehen. Eine gute Vorbereitung und Organisation sind sehr wichtig. Die Sprachentwicklung braucht Zeit, man darf die Arbeitsmigrant*innen  nicht überfordern. Unsere Italiener*innen kommen mit Sprachniveau B1 nach Deutschland und machen hier berufsbegleitend einen B2-Kurs, den wir mit Fördermitteln finanzieren. Bis sie das B2-Niveau erreicht haben, werden sie als Hilfskräfte beschäftigt.

Nach der Einreise stehen etliche Termine an, es ist ein hohes Maß an Betreuung erforderlich. Ein Bankkonto muss eröffnet werden, ein Besuch bei der Meldebehörde ist fällig, der Weg mit Bus und Bahn zur Arbeit muss geübt werden, dazu kommen Sprachkurs und Wohnungssuche. Wir betreuen die ausländischen Fachkräfte bis mindestens fünf Monate nach der Einreise bzw. bis zur Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation. Dann sind sie in der Regel so gut angekommen, dass der Betreuungsbedarf durch CareFlex endet. In dieser Zeit stehen wir den Arbeitgebern auch zur Seite, moderieren z.B. Feedbackgespräche mit den Mitarbeiter*innen und helfen bei der Organisation des Arbeitsalltags.

Wie stellen Sie sicher, dass die ausländischen Fachkräfte langfristig in Deutschland bleiben?

Ich will nicht den Eindruck vermitteln, dass alles wie von selbst läuft, wenn man sich nur ordentlich Mühe gibt. Es gibt immer auch Rückschläge, darauf sollte man sich einstellen. Es gibt immer wieder Fälle, wo ausländische Arbeitnehmer feststellen, dass die Arbeitsmigration doch nicht ihr Weg ist und sich verabschieden. Zum Glück passiert das meist schon während des Sprachkurses, also noch im Heimatland. Beeindruckend finde ich aber, mit welcher Gradlinigkeit, Zielstrebigkeit und Disziplin viele andere Teilnehmer*innen das Programm durchziehen, nach einem Jahr super Deutsch sprechen und gut integriert sind. Da gibt es viele tolle Beispiele. Und man kann ganz viel dafür tun, um die Erfolgsquote deutlich zu erhöhen.

Unsere Pflegekräfte aus Italien sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, die meisten Ende 20. Wir schauen bereits im Auswahlverfahren genau hin, wem wir den Wechsel nach Deutschland wirklich zutrauen. Bei sehr jungen Leuten, die sehr unselbstständig sind, hinterfragen wir die Bereitschaft. Wenn es eine rein wirtschaftliche Motivation ist („Ich habe kein Geld, ich finde keinen Job“), reicht uns das nicht. Es muss eine Portion Neugier spürbar  sein, sich vom Elternhaus zu lösen, selbstständig zu werden, ein neues Land zu entdecken.

Kommt man jemals an den Punkt, wo man sagen kann: Jetzt wissen wir, wie’s geht, jetzt funktioniert es?

Die Situation ändert sich ständig. Obwohl wir gerade erst angefangen haben, unsere Kanäle in Italien zu erschließen, wird es dort auch schon wieder schwieriger, Fachkräfte zu finden. Die wirtschaftliche Lage des Landes verbessert sich langsam. Als deutscher Arbeitgeber, der internationales Recruiting betreibt, muss man darum immer in Bewegung bleiben. Inzwischen beschäftigen wir uns mit Drittstaaten, denn wir haben das Gefühl, die Ressourcen in der EU sind absehbar erschöpft.

Warum sollte man sich als deutscher Arbeitgeber trotz aller Hürden mit dem internationalen Recruiting auseinandersetzen?

Die Bereitschaft eines Unternehmens, sich auf Arbeitskräfte aus dem Ausland einzulassen, bringt eine neue Qualität in die Zusammenarbeit. Es gibt immer Mitarbeitende, die sich freiwillig engagieren, damit die ausländischen Fachkräfte sich gut eingewöhnen. Sie lernen Italienisch, laden die neuen Kolleg*innen zu Freizeitunternehmungen ein. Das ist eine Bereicherung für die Einrichtung und den Teamgeist.

Wer sich auf diese Rekrutierungsmethode einlässt, dient nicht nur der Personalgewinnung, sondern dem Unternehmen insgesamt. Wenn ich für internationale Fachkräfte attraktiv sein will, muss ich dafür sorgen, dass ich auf die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden eingehe und dass sie ordentliche Arbeitsbedingungen vorfinden. Mit diesen Maßnahmen erreiche ich nicht nur die ausländischen Fachkräfte, sondern auch meine bisherigen Mitarbeitenden. Insofern gibt es eigentlich keinen Unterschied zwischen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen oder Employer Branding für ausländische oder deutsche Mitarbeitende.

Im Vergleich zu vielen internationalen Recruiting-Projekten, die in Deutschland in die Grütze gegangen sind, haben wir unseres Erachtens eine gute Erfolgsquote. Wir haben mehrere Kunden, die wiederholt italienische Fachkräfte über CareFlex einstellen wollen. Die haben den Wert erkannt. Bei uns ist der Bedarf da, und viele Fachkräfte in Italien suchen einen sicheren Job. Da ist es doch eine Win-Win-Situation, wenn man sich für ein paar Jahre zusammen tut.

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