Zugegebenermaßen war ich ein bisschen aufgeregt, denn bisher hatte ich bei der Entwicklung eines Arbeitgeberslogans mit Übungen aus dem Design Thinking nur als Teilnehmerin mitgemacht. Beim Diakoniewerk Simeon wollte ich im Rahmen meiner Beratungstätigkeit nun einen entsprechenden Workshop selbst leiten. Und was soll ich sagen: Es hat auch diesmal wieder funktioniert! Alle Teilnehmer haben sich zu 100% auf die Methode eingelassen, das hohe kreative Tempo durchgehalten und am Ende zehn professionelle Claim-Vorschläge zur Präsentation bei der Geschäftsführung entwickelt. Eine Anleitung zum Nachmachen.
Normalerweise bucht man eine Werbeagentur oder Employer Branding Agentur, um im Rahmen einer Arbeitgeberkampagne einen Arbeitgeberclaim (Werbeslogan für das Personalmarketing) zu entwickeln. Das hat den Vorteil, dass die Expert*innen dort wissen, wie man zu so einem Spruch kommt und Erfahrung mit dem zielgruppenorientierten Texten haben. Es hat aber auch Nachteile.
Vier Gründe, aus denen eine Agentur nicht unbedingt bessere Arbeitgeberclaims kann
- Auch wenn Agenturen Mitarbeitende durch Fokusgruppen-Workshops und Mitarbeiterbefragungen in die Entwicklung einbeziehen, kann ein Claim am Ende von außen übergestülpt und allzu hochglanz-werbemäßig anstatt authentisch wirken
- Die Mitarbeitenden stehen deshalb möglicherweise nicht hinter dem Claim und helfen nicht dabei, ihn zu verbreiten
- Mehrfach habe ich schon erlebt, dass Agenturen zu schnell glauben, das Alleinstellungsmerkmal eines Sozial- und Gesundheitsunternehmens herausgefunden zu haben (z.B. sinnstiftende Tätigkeit), weil sie sonst mit anderen Branchen arbeiten oder selbst keine Berührungspunkte mit der Pflege und dem Sozialen haben und erstmal alles neu für sie ist. Oft wird dabei vergessen, dass sich Sozial- und Gesundheitsunternehmens aber auch ganz krass innerhalb der eigenen Branche hervorheben müssen, um gesehen zu werden.
- Der Weg über eine Agentur kostet viel Geld, und wenn man günstigere Varianten aushandelt, bedeutet das im Umkehrschluss immer, dass die Agentur weniger Zeit investiert, um das Unternehmen wirklich kennenzulernen
Die Alternative: Es selbst zu versuchen
Wenn man nun die Option ins Auge fasst, das Projekt stattdessen inhouse anzugehen, ist erstmal Entspannung angesagt: Ein Arbeitgeberclaim ist am Ende nur ein Claim. Die Botschaft ist natürlich wichtig und eine Basis für die gesamte Recruitingstrategie. Aber man kann damit jetzt auch kaum etwas total falsch machen. Viele andere Aktivitäten werden am Ende eine direktere Auswirkung darauf haben, die Bewerberzahlen zu steigern – der Werbespruch ist eben nur die Schleife auf dem Geschenk, die das Ganze rund macht.
Zweitens: Ich bin ja selbst auch als freie Autorin/Texterin tätig und möchte auf keinen Fall das Berufsbild abschaffen. Professionelles Schreiben und Texten ist ein Handwerk UND eine Kunst und es ist gut und wichtig, dass es Expert*innen dafür gibt. ABER: Wenn man erstens nur ein begrenztes Budget hat, das man an den allerwichtigsten Stellen einsetzen will und muss, und zweitens möchte, dass die Mitarbeitenden beim Recruiting mit anpacken und Selbstwirksamkeit in einer Zeit des Personalmangels erleben, ist es eine sehr gute Idee und sehr gut möglich, es – unter Anleitung – selbst zu versuchen.
Mitmachen fördert Selbstwirksamkeit
Jede*r bringt heute ein Gefühl für Werbesprüche mit – wir sind ja heute überall davon umgehem. Vom schrecklich-schönen, grammatikalisch falschen „Kauf kein Kack“ der Bildzeitung bis „Wohnst du noch oder lebst du schon“ von IKEA. Wenn man dann noch die richtige Methodik anwendet – in meinem Workshop beim Diakoniewerk Simeon: Übungen aus dem Design Thinking – werden auch Erzieher, Migrationsberaterinnen, Pflegekräfte und Heilpädagoginnen kreativ!
Wir haben den Workshop mit 3 Stunden angesetzt, und das hat auch genau gepasst. Wir haben unser Zwischenziel erreicht. Mehr Kreativleistung am Stück wäre für die teilnehmenden Mitarbeiter*innen, die aus verschiedensten Bereichen kamen (Jugendhilfe, Mitarbeitervertretung, Unternehmenskommunikation, Pflege, Frauenförderung etc.), eine Überforderung gewesen. Wir haben den Workshop zu zweit geleitet: eine interne mit Recruitingaufgaben beschäftigte Mitarbeiterin aus einer Fachabteilung und ich als externe Beraterin.
Wie wir ihn aufgebaut und welche Übungen aus dem Design Thinking wir angewandt haben, seht ihr in dieser Slideshare-Präsentation (entweder die Präsentation mit dem blauen Button nachladen – das funktioniert nur für angemeldete Abonnent*innen – oder auf die Überschrift „Workshop: einen Arbeitgeberclaim inhouse entwickeln“ klicken, um zu Slideshare zu gehen):
Folgendes „Zubehör“ braucht man für den Workshop
- Gefühlsmonsterkartenspiel (Affiliate Link) oder verschiedene Gefühls-Emojis in Farbe und großformatig ausgedruckt
- 1 möglichst schrille Stopp-Uhr (ggf. Smartphone)
- Pro Person 1 kleinen und 2 große Bögen Papier sowie eine Moderationskarte
- Filzstifte, die etwas dicker schreiben (damit macht es mehr Spaß als mit Kugelschreibern)
- Klebepunkte zum Abstimmen
- Pinnwand (oder andere Stellwand plus Klebeband)
- Schere
Mögliche Herausforderungen
Unser Workshop beim Diakoniewerk Simeon ist wirklich außerordentlich gut gelaufen. Ihr dürft gespannt sein, für welchen Arbeitgeberclaim sich das Unternehmen in Kürze entscheidet. Aber es kann auch Herausforderungen geben, und das ist auch nicht schlimm, wenn man darauf vorbereitet ist:
- Mitarbeitende, die aus ihrem Arbeitsalltag kommen, sind möglicherweise im Kopf nicht frei genug, um vor Kreativität zu sprudeln. Lösung: Von Anfang an statuieren, dass dies ein „etwas anderer“ Workshop ist. Mit Gefühlsmonster-Karten starten, die Einstiegspräsentation kurz halten, permanentes Mitmachen einfordern, sodass niemand in Versuchung kommt, nebenbei E-Mails am Smartphone zu lesen.
- Im Design Thinking unerfahrene Teilnehmer*innen fühlen sich möglicherweise gestresst durch die schnelle Taktung der Übungen. Lösung: Ggf. 30sec. mehr Zeit pro Teil-Übung geben, bevor die Alarmglocke schrillt. Wenn die Gruppe überhaupt nicht in den Flow kommt und die Kreativität unter Zeitdruck verweigert: Übungen ohne Alarmglocke durchführen, um den Stress zu reduzieren (aber trotzdem die vorgesehenen Zeitangaben ungefährt einhalten).
- Auch für die Moderator*innen kann es eine Herausforderung sein, den schnellen Rhythmus vorzugeben und konsequent zu halten. Doch ohne ihn funktioniert die ganze Methode nicht (siehe Erklärung auf den Folien). Moderiert deshalb unbedingt zu zweit. Der eine erklärt, die andere bedient die Stoppuhr. Bleibt selbst möglich ruhig bei den Anweisungen und strahlt nicht noch zusätzliche Hektik aus. Gebt kurze, klare Anweisungen. Haltet euch an den Zeitplan. Verhindert, dass Chaos entsteht, dadurch, dass alle Aktionen von allen GLEICHZEITIG durchgeführt werden (z.B. Zettel im Uhrzeigersinn weitergeben). Es schadet nicht, wenn im Moderatorenteam eine Person dabei ist, die Erfahrung mit Marketing und Texten hat und die Ideen der Teilnehmenden sanft in eine professionellere Richtung manövrieren kann.
Viel Erfolg! Und bei Fragen zum Prozedere meldet euch gerne bei mir.
Beitragsbild: Gerd Altmann from Pixabay
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