Ohne Corporate Influencer*innen kommen Unternehmen heutzutage in den sozialen Netzwerken kaum noch an ihre Zielgruppen heran, sagt Franziska Fiedler, Social Media-Managerin bei der Werbeagentur hummelt und partner aus Magdeburg. Das liegt an den Algorithmen, die Beiträge von Personen gegenüber Beiträgen von Unternehmen bevorzugen. Und daran, dass niemand klassische Unternehmenskommunikation in den sozialen Netzwerken sehen will. Wie man damit am besten umgeht, hat sie beim Corporate Influencer Event der DRK Kliniken Berlin erklärt.

Wie bist Du dazu gekommen, Social Media zum Beruf zu machen?

Irgendwo zwischen der von mir ins Leben gerufenen Schülerzeitung in der 3. Klasse und den ersten Gehversuchen in einem der zahlreichen Social Networks, lange, bevor es Facebook gab, ist bei mir der Wunsch entstanden, „was mit Medien“ zu machen. Heute sieht mein Arbeitsalltag so aus, dass ich für die Kund*innen unserer Agentur Content konzipiere und kreiere, der auf allen Ebenen passt: zur Zielgruppe, zur Plattform und zum*zur Kund*in. Das geht natürlich nur, wenn er individuell ist.

Kannst Du drei Social Media-Trends nennen, die man kennen sollte?

Die Kanäle wachsen immer mehr zusammen. Auf TikTok funktioniert inzwischen auch Content für die Zielgruppe 60+ und umgekehrt beeinflussen TikTok-Formate wie hochkantige Videos und der TikTok-Algorithmus andere Plattformen. Wir sehen heute in unserem Feed zum Beispiel nur noch einen kleinen Anteil an Beiträgen von Personen, denen wir folgen, und bekommen stattdessen viel mehr Content angezeigt, von dem der Algorithmus glaubt, dass er uns thematisch gefallen könnte, auf Basis dessen, was wir vorher angesehen haben. Unternehmensposts werden seltener eingespielt als Posts von Personen und Persönlichkeiten. Insofern bekommt man als Unternehmen ohne Corporate Influencer*innen kaum noch die notwendige Reichweite.

Eine weitere Entwicklung ist, dass Social Media-Content nicht mehr unbedingt etwas mit dem Produkt oder Fachthema des Unternehmens zu tun haben muss. Die Rucksackfirma Aevor postete bei TikTok eine zeitlang hauptsächlich Inhalte darüber, wie Mitarbeiterin Belinda ihren Chef veräppelt. Für das Sozial- und Gesundheitswesen könnte man daraus ableiten, dass die Follower*innen andere Dinge sehen wollen als reine Arbeitstätigkeiten. Es geht um den „Blick durchs Schlüsselloch“: Was hat die Pflegefachperson in der Kasack-Tasche? Gute Social Media-Kommunikation ist fast wie eine Seifenoper im Fernsehen.

Und der dritte Trend?

Der dritte Trend, den ich nennen würde: LinkedIn ist in den letzten Jahren privater geworden. Urlaubsfotos hat man dort früher nicht gesehen. Lange galt das Karrierenetzwerk als Kanal für Werktage, auf dem ich nur über die Arbeit spreche. Doch inzwischen ist es sogar sinnvoll, dort am Wochenende etwas zu posten, denn die Beiträge erhalten durch die geringere Konkurrenz bis zu 50% mehr Reichweite. Auch der Algorithmus von LinkedIn passt sich langsam dem von Instagram und TikTok an: Der persönliche Newsfeed besteht nur noch zu 80% aus Beiträgen, die Personen gepostet haben, denen ich folge, und zu einem noch kleineren Teil aus Unternehmensbeiträgen. Wenn man dort Reichweite erzielen will, muss man sich entweder als Expert*in für ein bestimmtes Thema positionieren oder Contentformate anbieten, die gerne gesehen werden. Und das kann auch
mal ein Freizeitselfie sein.

Was sind für Dich Corporate Influencer*innen?

Corporate Influencer*innen sind nicht die Mitarbeitenden, die ein Foto und nettes Zitat über den Arbeitgeber beisteuern, das dann auf ein Plakat gedruckt werden kann, wie man das früher gemacht hat. Dreimal sagen: „Das ist ein tolles Unternehmen“ und dann ist die Geschichte zuende – so geht Corporate Influencing nicht.

Corporate Influencer*innen sind langfristig aufgebaute Identifikationsfiguren in den sozialen Netzwerken, die echte Einblicke in die Arbeitswelt in ihrem Unternehmen geben. Sie machen keine Hochglanzwerbung. Sie sprechen nicht für, sondern über das Unternehmen. Sie kommen aus unterschiedlichsten Berufen und Hierarchiestufen. Es ist keine gute Social Media-Strategie, wenn auf LinkedIn nur der CEO und auf TikTok nur der Azubi kommuniziert und die breite Bewerberschaft keine Identifikationsfigur findet. Corporate Influencer*innen kann und sollte man
divers auswählen.

Corporate Influencer*innen haben auch selbst sehr viel davon, dass sie sich in den sozialen Netzwerken für ihren Arbeitgeber engagieren – im Gegensatz zu den Testimonial-Protagonist*innen von früher:

  • Sie sammeln professionelle Social Media-Kompetenzen, die sie auch anderweitig einsetzen können.
  • Sie entwickeln sich persönlich weiter.
  • Sie bauen sich einen Ruf als Expert*in auf – als Social Media-Manager*innen und für ihr Fachgebiet.
  • Sie bekommen kreativen Gestaltungsspielraum, den nicht jede*r Mitarbeitende*r bekommt.
  • Sie werden sicherer vor der Kamera – auch das kann später in anderen beruflichen Zusammenhängen helfen.
  • Sie lernen, besser zu kommunizieren, weil sie sich für jeden Beitrag überlegen müssen, was genau ihre Botschaft ist. Davon profitieren sie privat und beruflich.
  • Sie werden eingeladen, auf Bühnen zu sprechen und Vorträge zu halten und sammeln so ganz neue Erfahrungen.

Was sind Deine Geheimtipps für gute Social Media-Arbeit?

Auch negative Aspekte dürfen kommuniziert werden, das wirkt sehr authentisch. Aber sie müssen einen positiven Twist bekommen. Wenn ich als Pflege-Influencer*in zum Beispiel ein Video von meiner Schicht an Weihnachten mache, darf ich durchaus sagen, dass ich lieber mit meiner Familie unter dem Weihnachtsbaum säße. Aber ich kann auch zeigen, wie ich mit meinem Team das Beste aus der Situation mache, indem wir uns zum Beispiel gegenseitig Wichtelgeschenke mitbringen. So gehen die Zuschauer*innen mit einem positiven Gefühl aus dem Video heraus.

Ein weiterer Tipp wäre, die neue Funktion der Test-Reels bei Instagram auszuprobieren. Dort kann man verschiedene Versionen eines Videos hochladen und einem Testpublikum zeigen lassen, bevor es die eigenen Fans zu sehen bekommen. Je nachdem, welches am besten performt, wählt man dann aus, welches man offiziell veröffentlicht. Letztendlich hängt das aber von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab. Es gibt eine Tänzerin, die postet seit einem Jahr jeden Tag dasselbe Video, und mal hat es Millionen Aufrufe und mal nur zehntausend. Das zeigt, dass es unzählige Faktoren gibt, die Einfluss darauf haben, ob eine Zielgruppe auf ein Content Piece reagiert: die Postingzeit, die Konkurrenz im Feed und vieles mehr. Gebt euren Beiträgen unbedingt eine zweite oder dritte Chance, wenn sie beim ersten Mal noch nicht durch die Decke gehen.

Und der dritte Tipp?

Mein dritter Tipp ist es, nicht mit einem Redaktionsplan, sondern mit einem Contentplan zu arbeiten. Ein Redaktionsplan wäre ein Kalender, in den ich für jeden Tag ein Thema und einen Beitrag eintrage. Dadurch legt man sich aber vorab unnötig fest. Ich mache es stattdessen so, dass ich eine Tabelle mit vier Spalten führe. In der ersten notiere ich alle Contentideen. In die zweite Spalte schiebe ich diejenigen Ideen, die ich in dieser Woche umsetzen will. In die dritte Spalte schiebe ich die Ideen, aus denen ein fertiger Beitrag geworden ist, der gepostet werden kann. Daraus wähle ich dann jeden Tag den Beitrag, der am besten passt: zum Wetter, zu aktuellen Trends und Ereignissen, zu meinem Bauchgefühl. Und den poste ich dann und verschiebe ihn in die vierte Spalte.

Franzis Top10 praktische Ideen

  1. Bringe immer eine persönliche Note in Deine Beiträge rein (Wie hat Dir etwas gefallen? Was ist Dir persönlich aufgefallen? Was haben Deine Sinne wahrgenommen?)
  2. Serielle Formate gehen gut und schaffen einen Wiedererkennungswert: Probiere verschiedene Formate aus, finde die zwei, die am besten zu Dir passen und bleibe dabei
  3. Sei nicht zu perfektionistisch, sondern zelebriere den trendigen „low polished look“
  4. Wenn Du Werbung einbaust, mache es so subtil, dass es gar nicht auffällt
  5. Beantworte Followerfragen als Video, so hast Du gleich einen neuen Beitrag
  6. „Batch-Produktion“: Zeichne mehrere Content Pieces am Stück auf, wenn du sowieso schon im Flow bist und die Technik eingerichtet hast
  7. Content-Recycling: Poste Beiträge, die gut funktioniert haben, später einfach nochmal: zu einer anderen Tageszeit, in einem anderen Format (mal als Videoclip, mal als Bilderkarussell, mal als Story) oder mit einer neuen Hook (Einstieg)
  8. Verschwende nicht die Hook (die ersten 3 Sekunden) mit überflüssigen Worten („Ich bin die Franzsika“). Damit verlierst Du nur Zuschauer*innen. Fange lieber mit einem aufmerksamkeitsstärkeren Einstieg an: „Die Leute sagen, ich arbeite in der Klapsmühle, aber in Wirklichkeit…“
  9. Verschwende Deine Zeit nicht mit einem künstlerischen Insta-Grid. Dein Feed ist keine Kunstgalerie. Poste das, was sich die Leute auch ansehen: Stories, einfache Reels, lockeren, unperfekten Content
  10. Vergiss nicht, dass das Community Management ein wichtiger Erfolgsfaktor ist: Kommentare beantworten, Kommentator*innen durch Nachfragen zu weiteren Kommentaren anregen. Bei TikTok ist die Kommentarspalte inzwischen wichtiger als der Videoclip, dort entsteht ein richtiger Wettbewerb: Was sagen andere zu diesem Beitrag? Wer schreibt den lustigsten Kommentar? Wer schreibt den Kommentar, der ganz oben angezeigt wird?

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