Karin Kießling ist Geschäftsführerin bei context YELLOWS GmbH und beschäftigt sich seit ihrem Berufseinstieg im IT-Bereich eines mittelständischen Unternehmens mit Digitalisierung und Organisationsentwicklung. Denn beides gehört untrennbar zusammen, sagt sie. Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens hätten sich zwar auf den Weg gemacht, doch nutzten das Potenzial digitaler Tools für Recruiting, Lernen, Vernetzung, Mitarbeiterbindung und viele andere Themen noch längst nicht aus.

Was kann die Digitalisierung für die erfolgreiche Personalgewinnung tun?

Die Digitalisierung und digitale Kompetenzen spielen längst auch im Sozial- und Gesundheitsbereich eine Schlüsselrolle und sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Digitalisierung geschickt nutzen, damit Entlastung entsteht und Mitarbeitende ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen können – darum geht es. Und nicht darum, Mitarbeitende mit komplizierter digitaler Verwaltung noch mehr zu belasten und noch unzufriedener zu machen. Letzteres ist leider vielerorts die Realität.

Mitarbeitende, die sich durch digitale Tools unterstützt anstatt gestresst fühlen, sind zufriedener und bleiben länger. Bewerber:innen entscheiden sich eher für ein Unternehmen, das den Eindruck macht, modern und zukunftsorientiert zu sein – und dafür ist fortgeschrittene Digitalisierung nunmal der Hauptindikator. Abgesehen davon erleichtern digitale Tools das Recruiting unmittelbar, denn auch im Bewerbungsprozess finden sie ihren Einsatz – vom Bewerbermanagementsystem bis zur Bewerberberatung via Social Media.

Jedes Unternehmen würde inzwischen von sich behaupten, die Digitalisierung angegangen zu sein. Wo gibt es dennoch den größten Nachholbedarf?

Wir nutzen immer noch nicht alle Möglichkeiten, die uns die eingesetzten Software-Systeme bereits bieten, um im Alltag Prozesse zu vereinfachen, Zugriff auf Daten zu bekommen, den Informationsfluss sicherzustellen. Daten werden immer noch doppelt und dreifach eingegeben, weil zum Beispiel keine Schnittstelle zwischen Bewerbermanagementsystem und Personalverwaltungssoftware besteht.

Arbeitsschritte werden händisch durchgeführt, obwohl es längst die Möglichkeit gibt, sie zu automatisieren – und zwar in der Software, die schon im Unternehmen existiert. Hier liegt ein enorm hohes Potenzial, das an vielen Stellen noch nicht gehoben ist. Daten eingeben, verarbeiten und speichern – da geht seit Jahren wirklich viel mehr als viele Unternehmen umsetzen.

Das gilt sowohl für die Personalabteilung, wo Recruiter Zeit damit verschwenden, Stellenanzeigen per Hand einzeln in verschiedene Stellenbörsen einzupflegen, anstatt die Übermittlung durch einen XML-Feed oder einen Crawler einzurichten. Das gilt aber auch für viele andere Unternehmensbereiche, wo es Mitarbeitende unzufrieden macht und die Fluktuation erhöht.

Gibt es weitere Bereiche, in denen noch mehr ginge?

Auch beim Thema digitales Lernen hinkt das Sozial- und Gesundheitswesen hinterher. Hier haben wir enormes Potenzial, Mitarbeitenden “24/7-Lernräume” zu eröffnen. Also Plattformen, wo sie zu jeder ihnen persönlich passenden Tageszeit Pflichtschulungen und Wunschweiterbildungen digital oder hybrid absolvieren können.

Gleichzeitig können diese Plattformen die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden dokumentieren und langfristige Personalentwicklung und Personalplanung ermöglichen. Eine solche Plattform kann als Alleinstellungsmerkmal im Personalmarketing dienen und erspart dem Unternehmen die mühsame Organisation von Fortbildungen.

Viele Unternehmen denken, mit einem digitalen Anmelde- oder Antragsformular für die Fortbildung seien sie schon ganz vorne mit dabei. Doch wenn Mitarbeitende die Antragsformulare am Ende doch ausdrucken und auf Papier vom Vorgesetzten unterzeichnen und genehmigen lassen sollen, sind wir wieder in den Kinderschuhen der Digitalisierung. Die digitalen Möglichkeiten entwickeln sich ständig weiter, man ist nie mit der Digitalisierung fertig.

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Was kommt denn als nächstes auf uns zu?

Die zweite Welle der Digitalisierung steht an. Möglichkeiten, die durch Künstliche Intelligenz entstehen, können in Zukunft eingesetzt werden. Also Systeme, die Daten interpretieren, veredeln und möglicherweise monetarisieren. Das ist bislang ein Feld, dem im Sozial- und Gesundheitsbereich wenig Beachtung geschenkt wird.

Im Bereich Recruiting sprechen wir da zum Beispiel von automatisierten Bewerber-Screenings, bei denen die erste Auswahlstufe eine Software übernimmt. Sie kann nicht nur prüfen, ob ein Bewerber die gewünschte Qualifikation oder Berufserfahrung mitbringt. Sondern sie kann Daten sammeln und mit der Zeit immer besser verstehen, welche versteckten oder bisher noch nie herangezogenen Faktoren in einer Bewerbung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Bewerber eingestellt wird oder langfristig im Unternehmen bleibt.

Aus meiner Sicht wird Künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt massiv verändern und die Interaktion mit der Technik (mit dem Computer- oder Roboter-Arbeitskollegen) wird weiter zunehmen. Das bietet für den Sozial- und Gesundheitsbereich enorme Chancen, zum Beispiel auch im Qualitätsmanagement.

Das funktioniert aber nur, wenn die Mitarbeitenden auf der Reise mitgenommen werden…

Auf jeden Fall. Der korrekte, vollständige Begriff lautet deshalb eigentlich nicht Digitalisierung, sondern digitale Transformation. Das geht viel tiefer. Transformation bedeutet, dass Organisationsentwicklung und Change Management gefragt sind, um neue digitale Prozesse wirklich in der Unternehmenskultur zu verankert, sodass man nicht bei jeder neuen Software oder App von vorne beginnen muss, die Mitarbeitenden von ihrem Sinn und Nutzen zu überzeugen.

Der Begriff Transformation beinhaltet neben der Digitalisierung von Prozessen auch die Überlegung, welche neuen Geschäftsmodelle daraus entwickelt werden können.
Und dieser tiefgreifende Veränderungsprozess setzt auch die entsprechende Kultur oder – neudeutsch – das entsprechende Mindset voraus.

In den USA wurde im Jahr 2019 eine MITSloan-Studie publiziert. Der Titel: „The technology fallacy – how people are the real key to digital transformation“. Für die Publikation wurden über 16.000 Interviews geführt, es ging um Einflussfaktoren auf eine gelungene Transformation. Demnach haben Unternehmen, die einen hohen digitalen Reifegrad erreicht, verschiedene Dinge gemeinsam: Sie sind agil, risikofreudig, entscheidungsfreudig, kollaborativ, organisiert leidenschaftlich geführt und wenden Führungskonzepte ohne viele Hierarchieebenen an.

Wie kann ein Unternehmen die digitale Transformation erreichen?

Unternehmen müssen aufhören, Digitalisierung als viele verschiedene Insellösungen für einzelne Probleme zu denken. Am Anfang sollte stattdessen ein gemeinsam getragenes Zukunftsbild stehen, eine Strategie, die Orientierung und Ausrichtung schafft. Diese Strategie wird idealerweise von der gesamten Führungsmannschaft gemeinschaftlich umgesetzt. Unternehmen, die ein klares Zukunftsbild haben, es gemeinsam mit den Führungskräften operationalisieren und dabei Raum für persönliche Reflexion und fachlichen Input schaffen, sind am erfolgreichsten.

Heißt das, es ist dann egal, welche IT-Technologie ich einsetze?

Überhaupt nicht! Die richtige Auswahl der Tools und Systeme unter Berücksichtigung der Anforderungen der Nutzer ist essentiell. Wer die Anforderungen der Mitarbeitenden, die zukünftig mit einer Software arbeiten sollen, gezielt erhebt und die Mitarbeitenden am Auswahlprozess beteiligt, erhöht die Chance, dass die Software später gerne und effektiv genutzt wird.

Gleichzeitig ist wichtig, dass die neue Software in die vorhandene Systemlandschaft integriert werden kann. Leider entstehen häufig Insellösungen und Schnellschüsse, die dann in der IT-Administration erheblichen Aufwand mit sich bringen. Da kann ich nur sagen: Finger weg!

Idealerweise gibt es im Unternehmen einen Verantwortlichen, der das “Big Picture” im Auge behält. Oder man holt sich externe Unterstützung von Experten wie uns bei context YELLOWS.

Wie können externe Experten unterstützen?

Wir sensibilisieren die verantwortlichen Führungskräfte für drei Dinge:

  1. IT-Projekte müssten gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelt werden. Der Faktor Mensch ist entscheidend. Berücksichtigen Sie also die fachlichen Anforderungen, die Usability (Nutzerfreundlichkeit eines Tools), die vorhandenen IT-Kompetenzen bei den Mitarbeitenden und die Anwendbarkeit einer IT-Lösung nicht nur für aktuelle, sondern auch für zukünftige Prozesse. Digitalisierung sollte nicht um der Digitalisierung Willen durchgeführt werden. Die Maßnahmen müssen einen Mehrwert für Fachkräfte, Klienten und / oder die Verwaltungen entfalten. Das sollte der Beurteilungsmaßstab sein.
  2. IT-Projekte müssen auf die Unternehmensstrategie einzahlen. Hier eine neue App, da ein neues Softwarepaket und dort noch ein weiteres Tool… So wird das nichts. Das führt nur dazu, dass Daten mehrfach gepflegt werden müssen, nicht an allen Stellen aktuell zu halten sind und viel Aufwand in die Entwicklung von Schnittstellen fließt. Daher ist bei der Auswahl auf Software darauf zu achten, dass eine stimmige IT-Systemlandschaft wächst, die neue Apps, Softwarepakete und Tools so integriert, dass es für die User nachvollziehbar ist, wo welche Daten zu finden sind, und dass eine Durchlässigkeit gesichert ist.
  3. Jede Weiterentwicklung bringt Veränderungen mit sich. Hierfür müssen Mitarbeitende vorbereitet, mitgenommen und qualifiziert werden. Nicht selten sind IT-Projekte im Sozial- und Gesundheitsbereich mit enormen Widerständen verbunden. Unserer Erfahrung nach sind professionelles Change Management und gute Führung der Schlüssel dafür, dass sie trotzdem Erfolg haben.

context YELLOWS vermittelt auch Pflegefachkräfte aus dem Ausland unter Anwendung digitaler Techniken. Wie kann Digitalisierung in dem Bereich unterstützen?

Für ausländische Pflegefachkräfte ist die Vorbereitung auf die Fachkenntnisprüfung von zentraler Bedeutung. Deshalb nutzen wir Blended Learning (gemischtes Lernen: online und offline, gleichzeitig und im individuellen Tempo, mit einem Tool- und Methodenmix) für die gezielte Kompetenzentwicklung.

Die Learning Journey für ausländische Pflegekräfte orientiert sich an den Pflege-Expertenstandards. Hier gibt es viele wichtige Inhalte wie Dekubitusprophylaxe oder Wundmanagement, die für Pflegekräfte relevant sind.

Über unsere Lernplattform stellen wir Lerninhalte und Lerncoaching für ausländische Pflegekräfte, aber auch für Unternehmen und Einrichtungen zur Verfügung. Dort können gezielt pflegefachliche Kompetenzen gesichert und weiterentwickelt werden.

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