#EF24 Wir sind durch Pfützen gesprungen und haben Eis im Liegestuhl geschleckt. Haben uns Glitzer ins Gesicht schminken lassen und für Pommes mit Guacamole am Streetfood Truck angestanden. Und abends haben wir mit der unfassbar guten Duncan Townsend Band gefeiert. Das Embrace Festival 2024 bot alle Zutaten, die ein echtes Festival braucht. Und obendrein Einblicke in die aktuellen Recruiting Trends. Denn eigentlich ist das Ganze ja ein Recruiting Kongress. Die DRK Kliniken Berlin waren als Vorjahresgewinner des Queb Awards eingeladen, der auch Teil des Festivals ist, dieses Jahr in der Jury dabei zu sein. Ein persönlicher Veranstaltungsrückblick.

Hier also meine fünf Gründe für Recruiter*innen, beim Embrace Festival dabei zu sein:

1. Um sich neue Motivation als Recruiter*in zu holen

Als Recruiter*in ist man oft Einzelkämpfer*in. In der Personal- oder Kommunikationsabteilung versucht man, sich neben den großen Themen wie Digitalisierung der Personalakte oder Personalentwicklung oder Krisenkommunikation Zeit und Gehör zu verschaffen. In kleineren oder mittelständischen Unternehmen steht man ganz allein auf weiter Flur. Und versucht, einen lange vernachlässigten Geschäftsbereich auf den neuesten Stand zu bringen. Oder überhaupt erst aufzubauen. Da hilft es für die Motivation ungemein, sich mit Gleichgesinnten zu treffen.

Einige Empowerment-Vorträge im Programm wie der des Netzwerks FemaleHRExcellence für Frauen im Recruiting trugen dem Rechnung. Sehr unterhaltsam zuzuhören war es auch bei Ali Mahlodji, dem vielseitigen Gründer des Videoberufsorientierungsportals watchado. Auch wenn es im Vortrag um Dinge ging, die man eigentlich schon weiß. Zum Beispiel, dass Kinder durch Fehler lernen und nicht aufgeben, nur weil sie zwanzig Mal am Tag auf dem Popo landen, wenn sie ihre ersten Schritte tun. Aber man bekam doch nochmal mitgegeben, dass es nicht darauf ankommt, gleich morgen die perfekte Lösung gegen den Personalmangel zu haben. Sondern darauf, es weiter zu versuchen und nicht aufzugeben.

2. Um die neuesten Modetrends in der HR Szene zu bestaunen

Von Coachella bis Wacken – für ein Festival gehört auch immer der passende Style dazu. Beim Embrace Festival ist das ganz bestimmt nicht Anzug und Krawatte. Oder wenn es in diese Richtung gehen soll, dann bitte Hemd und Krawatte zu grünen Bermuda-Shorts und Adiletten (selbstverständlich mit Socken). Neonfarben sind ja auch wieder sehr im Trend, wie ich neulich beim Tanz in den Mai im Festsaal Kreuzberg schon beobachten konnte. Daher fehlte auch auf dem Embrace Festival die Kombi aus neongelbem T-Shirt und neonblauer Strickmütze (bei sommerlichen Temperaturen) nicht. Ob bauchfrei zum wenig verhüllenden Spitzenmieder oder ein Promo-Team mit Schmetterlingsflügeln – es gab unter den Vorbeiflanierenden auf jeden Fall jede Menge zu sehen, wenn man das Glück hatte, in einer sonnigen Minute einen der wenigen Liegestühle zu ergattern.

3. Um neue Fachbegriffe im Recruiting zu lernen

Um das Programm des Embrace Festivals 2024 zu entziffern, benötigte man auf jeden Fall Google. So viele neue englische Fachbegriffe und Euphemismen für teils altbekannte Phänomene aus der Mitarbeitergewinnung und -bindung hatte man lange nicht auf einem Haufen gesehen. Retention als cooleres Synonym für Mitarbeiterbindung war ja letztes Jahr schon dabei. Vom Workforce Readiness Gap dagegen las ich hier zum ersten Mal. Er beschreibt die Situation, dass man zwar über Mitarbeitende verfügt, die notwendige Aufgaben übernehmen können, sie aber von den Kompetenzen und dem Mindset her nicht darauf vorbereitet sind, das Unternehmen wirklich voranzubringen.

Aus KPIs (Key Performance Indikatoren oder messbaren Erfolgsfaktoren) sind inzwischen Objectives and Key Results geworden. Dabei handelt es sich offenbar um eine Arbeitsmethode aus dem Agilen Arbeiten, bei der langfristige Ziele in Zwischenziele untergliedert werden. Während das langfristige Ziel z.B. lauten könnte, dem Personalmangel im Unternehmen entgegen zu wirken, könnte ein objektives Zwischenziel sein: „Senke die Kosten pro Bewerbung um 20 %“. „Erhöhe die Anzahl der Bewerbungen um 80 %“ oder „Verkürze die Time to Hire um 50 %“.

Das Team entwickelt Ideen für Methoden, mit denen das erreicht werden könnte, z.B. Job Performance Marketing mit HeyJobs oder zeitversetzte Videovorstellungsgespräche mit Cammio. Oder die Umwandlung des Bewerbungsformulars in einen Chat, weil Bewerbende lieber chatten als Formulare ausfüllen. Obwohl es letztendlich dasselbe ist. Diese Ansätze probiert man beim OKR aus und trägt in regelmäßigen Intervallen Erkenntnisse dazu zusammen, welche Methoden am vielversprechendsten im Hinblick auf das Ziel sind und ausgebaut werden sollten.

Ist Recruiterisch eine eigene Fremdsprache?

Aber das ist noch längst nicht alles an Fach-Kauderwelsch. Als Außenstehende*r könnte man den Eindruck bekommen, Recruiterisch sei eine eigene Fremdsprache. Advanced Talent Mapping beschreibt den Ansatz, die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu dokumentieren und mit den Kompetenzen abzugleichen, die das Unternehmen für das Erreichen seiner Strategieziele benötigt. So können frühzeitig fehlende Kompetenzen an Bord geholt werden. Data Washing scheint mir zu bedeuten, dass man die Methode des Data Driven Recruiting falsch versteht. Anstatt wirklich relevante Daten auszuwerten zeichnet man stattdessen mit irgendwelchen weniger aussagekräftigen Zahlen misslungene Marketingmaßnahmen weich.

Der Begriff Fazit First ist, wenn ich das richtig verstanden habe, ein Konzept für die Nutzerfreundlichkeit einer Karrierewebsite. Durch kürzere Klickwege zu den wichtigen Infos und Antworten auf die Fragen der Nutzer*innen wird die Usability gestärkt. Die Continental Versicherung brachte diese und andere relevante Erkenntnisse zu Suchmaschinenoptimierung und Usability im modernen Karriereportal ein. Weg von den Teaser-Wüsten und hin zu mehr konkreten Infos direkt auf der Startseite der Karrierewebsite – das ist ja schon lange meine Devise beim Karriereportal der DRK Kliniken Berlin. Leider blieb die Continental konkrete Beispiele schuldig, was man denn nun ganz genau beim Relaunch der eigenen Karrierewebsite geändert hat.

Embrace Festival: “Purpose is key”

Wer als Recruiter*in up to date klingen will, sollte im nächsten Fachdialog auf jeden Fall mal den Begriff Company DNA (Unternehmenswerte) droppen, beinahe schon altmodische klingende Formulierungen wie Gamification nicht mehr verwenden und statt Bewerberorientierung Candidate Centricity sagen. Letztere wurde beim Embrace Festival 2024 auch in der „Purpose“-Debatte gefordert. Purpose ist einer der drei im Programmtitel des Events verankerten Recruiting Trends – neben Tech (also neue Technologien im Recruiting verwenden) und Data (dabei evaluieren statt nach Bauchgefühl vorzugehen).

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Purpose bedeutet nun, Arbeitnehmer*innen nicht vorrangig mit Gehalt und Benefits anzulocken, sondern damit, dass man ihnen verständlich macht, welchen Sinn ihre Arbeit hat. Wie sie als Einzelperson zum großen Ganzen beitragen – sei es das Vorankommen des Unternehmens oder der Zusammenhalt der Gesellschaft. Das gelingt aber nicht, indem man absenderorientiert erzählt, wieso das Unternehmen sich selbst so toll findet, sondern indem man aus Mitarbeitersicht beschreibt, warum die Person, die die jeweilige Stelle besetzt, für diese Zwecke unverzichtbar ist.

Eine Zuhörerin brachte den klugen Diskussionsbeitrag ein, dass wir dann eigentlich auch die Stellenausschreibungen anders gestalten müssten. Statt auf die Aufgaben, die der jeweiligen Berufsgruppe ja meist bekannt sind, sollte man eher auf den „Purpose“ eines Jobs eingehen. Im Gesundheitswesen ist das ganz besonders tricky. Denn der „Purpose“ kann natürlich schnell mit „Menschen helfen“, „Leben retten“ o.ä. beschrieben werden. Aber da das universell für Sozial- und Gesundheitsberufe gilt, muss man hier schon etwas mehr Gehirnschmalz investieren, um auf den Punkt zu bringen, warum der „Purpose“ in diesem konkreten Unternehmen besonders heraussticht.

4. Um den State of the Art im Recruiting kennenzulernen

Trotz Rap-Einlagen von Onkel Berni geht es natürlich bei einem Recruiting Kongress, auch wenn er als Festival getarnt ist, darum, sich über Recruiting Trends zu informieren. Um diese dann im eigenen Unternehmen umzusetzen. Dazu muss ich sagen, dass die rund 180 Vorträge beim Embrace Festival oft nicht so in die Tiefe gingen, wie man sich das gewünscht hätte. Und wie das durchaus auch in 30-Minuten-Slots möglich ist. Besonders einige Vertreter*innen von XING und LinkedIn fielen mit sehr oberflächlichen Basic-Tipps auf.

Viele Dienstleister von Haufe (Chatbot) bis Bonago (Mitarbeiterbenefit-Portal) stellten ihre Produkte (fast) ohne jeden Bezug zu einem konkreten Case vor. Vielleicht wurde mal ein Kunde genannt. Aber die Challenges und Learnings der Implementierung der jeweiligen Lösung blieben außen vor. Welche Anpassungen wurden notwendig, um eine Standardlösung in die bestehende IT-Landschaft eines Unternehmens einzubauen? Welche Nachjustierungen wurden nach der Evaluierung der Pilotphase durchgeführt? Diese Fragen blieben unbeantwortet. Manchmal taten sich gar zwei Dienstleister zusammen und prügelten dann jeder in 15 Minuten sein Angebot durch.

Aber es gab auch Gegenbeispiele, so stellte der Anbieter B-ite (Bewerbermanagementsystem) seine ChatBot-Lösung anhand des Kunden Domino’s Pizza vor. Der Case zeigte, dass Karrierewebsiten möglicherweise in Zukunft überflüssig werden, wenn Bewerbende von einem Banner oder Flyer direkt in den WhatsApp-Chat oder ChatBot geleitet werden, wo sie alle Fragen stellen und auch die Bewerbung durchführen können.

Embrace Festival: Von den Big Brands lernen

Am besten fand ich aber den Vortrag von Mitarbeitenden aus der Agentur des Veranstalters (Embrace Agency) mit dem Titel „Aus dem Playbook der Big Brands“. Was können wir von den großen Marken für unser Employer Branding mitnehmen? Zuerst mal den Tipp: weg vom allgemeinen Bla Bla in der Beschreibung der Alleinstellungsmerkmale eines Unternehmens, stattdessen Mut zum individuellen und wirklich konkreten USP. Auch wenn man damit bestimmte Teilzielgruppen abschreckt. Das greift ja auch die o.g. Purpose-Diskussion und den Fazit-First Ansatz wieder auf.

Als Beispiel wurde die Marke Patagonia für Outdoor-Bekleidung genannt. Die Firma lässt, anstatt auf der „Über uns“-Seite von Wertschätzung und Sinnstiftung zu faseln, alle Gewinne in eine Naturschutzstiftung fließen und wirbt mit dem Slogan „Ab sofort ist die Natur unser einziger Anteilseigner“. An einem so genannten „Black Friday“, an dem andere Unternehmen gemeinhin Rabatte bieten, um ihre Kunden zu noch mehr Konsum anzuregen, launcht Patagonia die Kampagne „Don’t buy this jacket“. Darin geht es genau ums Gegenteil: Konsum zu reduzieren.

Mit solchen Markenbildungsmaßnahmen bietet Patagonia Identifikationspotenzial für Zielgruppen wie Klimaaktivisten oder allgemein die GenZ, der Nachhaltigkeit ein großes Anliegen ist, riskiert aber gleichzeitig, dass potenzielle Kunden, denen z.B. die Klimakleber auf die Nerven gehen, vielleicht keine Lust mehr haben, die Kleidung zu kaufen. Bei allen Zielgruppen aber prägt sich die Marke ein – weil sie sich traut, zu polarisieren. Etwas Ähnliches versuchen wir bei den DRK Kliniken Berlin – eine Nummer kleiner – mit unserer Kooperation mit der Skatehalle Berlin. Uns als einziges Gesundheitsunternehmen zu positionieren, das Kooperationspartner der Skatehalle Berlin ist und den Berliner Skater*innen ein Training auf Olympialevel ermöglicht und gleichzeitig Mitarbeitenden u.a. kostenlose Skatekurse anbietet, könnte bei Bewerbenden eher in Erinnerung bleiben als manch anderes Argument. Die nächsten Kampagnenbestandteile sind gerade in Vorbereitung.

Markenbildung kommt lange vor dem Kauf oder der Bewerbung

Als zweites großes Markenvorbild wurde der Matratzenhersteller Emma genannt. Emma ist es gelungen, mit ihrem Firmennamen ein Synonym für „Matratze“ zu werden wie „Tempo“ für Taschentuch. Auf dem unübersichtlichen Markt verspricht Emma ein einziges Produkt auf dem neuesten Stand der Forschung, mit dem man auf jeden Fall die richtige Kaufentscheidung trifft. Und erfüllt damit die Sehnsucht der jüngeren Generationen nach Orientierung in Zeiten der Informations- und Produktüberflutung. Und so lernt der Kunde lange, bevor er vielleicht wirklich eine neue Matratze braucht, an wen er sich wenden kann, wenn es einmal soweit ist.

Für Arbeitgeber und übertragen auf das Employer Branding bedeutet das: langfristiger Markenaufbau statt „Recruiting Quickies“ wie ein lustiger Videoclip, der vielleicht heute viral geht, morgen aber auch schon wieder vergessen ist. Die Bewerbenden müssen lange, bevor sie eure Stellenanzeige sehen und lange, bevor sie sich mit einem Arbeitgeberwechsel auseinandersetzen, im Hinterkopf abspeichern, dass euer Unternehmen interessante Jobs und Benefits bietet. Die Stellenanzeige ist dann nur noch das Zünglein an der Waage, das zur Bewerbungshandlung führt.

Ein weiteres Learning von den Big Brands: Markenbekanntheit und damit Arbeitgeberbekanntheit kostet Geld. Selbst die berühmtesten Marken wie Ferrero (Nutella, Kinderschokolade) geben im Jahr mittlere dreistellige Millionenbeträge für Werbung aus, weil sie sonst ganz schnell in Vergessenheit gerieten. Jedes Unternehmen muss also ein Personalmarketing Budget einplanen, um erfolgreich Personal zu gewinnen. Anders geht es nicht.

5. Um sich persönlich für seine eigene Karriere inspirieren zu lassen

Das Embrace Festival 2024 bot aber nicht nur Know How zum Voranbringen des Unternehmens, für das man arbeitet, sondern auch Vorträge zu Trends der Arbeitswelt, die für die eigene Karriere relevant sein könnten. Dazu gehörten neben den oben beschriebenen Methoden wie OKR, die Lust auf Weiterbildungen im Bereich Agiles Arbeiten machen, auch die Vorträge zum ortsunabhängigen Arbeiten von Remote Work bis Workation (Vollzeitjob am Urlaubsort).

Zum Beispiel gibt es Unternehmen wie remote.com, die als „Employer of Record“ auftreten, also als Arbeitgeber auf dem Papier. Der eigentliche Arbeitgeber muss sich dann nicht damit beschäftigen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten sind, um reisefreudige Mitarbeitende längerfristig aus anderen Ländern zuarbeiten zu lassen, sondern erhält nur eine Rechnung von dem Dienstleister. Das Benefit des ortsunabhängigen Arbeitens kann er sich aber auf die Fahnen schreiben.

Unternehmen wie getworkflex.com unterstützen Unternehmen und Arbeitnehmer dabei, internationales Arbeiten selbst möglich zu machen, ohne in eine der vielen Fallen zu tappen. Es gibt nämlich einiges zu beachten, um keine Bußgelder zu riskieren. Dass man nicht aus Versehen eine Betriebsstätte im Ausland gründet und steuerpflichtig wird zum Beispiel. Leider blieb auch dieser Vortrag sehr oberflächlich und wer noch nie von A1-Bescheinigungen (regeln die Sozialversicherungspflicht im EU-Ausland) & Co. gehört hatte, blieb eher verunsichert als bestärkt darin, eine Workation auszuprobieren, zurück. Aber man kann ja selber weiter recherchieren.

#EF24: Das Fazit

Soweit meine fünf Gründe für eine Teilnahme am Embrace Festival – auch im nächsten Jahr. Abschließend nochmal kurz zur Überschrift dieses Blogartikels: „Here I am, let’s talk“. Eine Bewerbung ist nämlich heutzutage laut den Expert*innen auf dem Embrace Festival 2024 (Zitat von Dimitri Knysch von Cammio) nicht mehr als das. Eine Interessensbekundung. „Hallo hier bin ich. Lass uns mal reden.“ Mehr als das haben wir als HRler*innen nicht, um daraus die zufriedensten, produktivsten, Purpose-getriebensten Mitarbeiter*innen aller Zeiten zu machen.

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