Wenn es um die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland für deutsche Gesundheitseinrichtungen und vor allem ihre nachhaltige Integration geht, gibt es gute und schlechtere Personalvermittler, die dabei unterstützen. Eine Alternative ist es, die Dienstleister zu umgehen und internationale Bewerber*innen durch eine direkte Kooperation mit einer Bildungsstätte im Ausland selbst zu rekrutieren. Doch dafür braucht man einen langen Atem. Und ein sehr zielorientiertes Vorgehen. Kosten und Hürden gibt es auch bei dieser Variante der Auslandsrekrutierung.
Die DRK-Schwesternschaft Berlin e.V. und die DRK Kliniken Berlin Köpenick haben einen Kooperationsvertrag mit der Aldent Universität in Tirana, Albanien, unterzeichnet. Im Rahmen dessen entsteht ein Programm, das Absolvent*innen des Bachelor of Nursing die Arbeitsmigration nach Deutschland ermöglicht und vereinfacht.
Im ersten Schritt können Bachelor-Absolvent*innen am Programm teilnehmen. In zukünftigen Durchläufen besteht bereits während des Studiums die Möglichkeit, erste “Schnupperaufenthalte” im Südosten Berlins zu verbringen und Sprachkenntnisse zu erwerben. Und zwar durch Praktika in Deutschland, Gegenbesuche deutscher Pflegeazubis, Lehrveranstaltungen mit deutschen Dozent*innen.
Vorteile einer eigenen Kooperation
Welche Argumente sprechen nach drei Anwerbewellen mit Hilfe von Dienstleistern dafür, die vierte Welle nun selbst in die Hand zu nehmen?
- Umfangreiche Erfahrungen wurden gesammelt. Das Know How für eine Gestaltung des Anwerbungs- und Integrationsprozesses ist im Unternehmen vorhanden.
- Langfristig besteht die Möglichkeit, einen Kanal zu etablieren, über den ein regelmäßiger Zufluss an neuem Personal ins Unternehmen kommen kann.
- Die Erfahrungen, die ein Unternehmen und einzelne beteiligte Mitarbeitende durch eine Auslandskooperation machen, sind extrem spannend. Beteiligte gewinnen neue interkulturelle Kompetenzen. Sie kommen auch dem bereits bestehenden Multi Kulti-Mix in der Belegschaft zugute. Auch ein Austauschprogramm ist möglich, mit dem deutsche Pflegeazubis und Krankenhausmitarbeitende Auslandsaufenthalte absolvieren können. Das steigert die Attraktivität als Arbeitgeber.
- Für etwaige Parallelprojekte mit Personalvermittlern gewinnt das Unternehmen durch die eigenständige Kooperation wertvolles Wissen. Es ermöglicht, die Dienstleister in Zukunft besser einzuschätzen und zu unterstützen.
Zu teuer, zu wenig gekümmert: vorschnell geurteilt
Und dann gibt es noch einige weitere Argumente, die Unternehmen dazu veranlassen könnten, selbst im Ausland aktiv zu werden. Sie bedürfen aber einer genaueren Betrachtung. Das erste ist das liebe Geld, an dem gespart werden soll. Dienstleister rufen für die Vermittlung ausländischer Pflegekräfte unterschiedlichste Summen auf.
Ich habe schon Verschiedenes gesehen. Von dubiosen Angeboten wie: „Ich würde Ihnen die Person für 1.500 Euro überlassen, denn ich muss sie dringend unterbringen“. Bis hin zu Provisionen, die sich an Bruttomonatsgehältern orientieren. Meist sind sie in Teilzahlungen zum Vertragsabschluss und Bestehen der Probezeit zu leisten. Auf jeden Fall geraten die Kosten für die Anwerbung einer kleinen Gruppe Fachkräfte schnell in fünf- oder sechsstellige Höhen.
Sind die Preise gerechtfertigt und die Kosten senkbar?
Vergleichbar sind die Angebote selten. Ob die Preise gerechtfertigt sind, lässt sich nur beantworten, wenn man weiß, welche konkreten Leistungen dahinterstecken. Wird hier letztendlich nur ein Kontakt vermittelt? Oder gibt es eine umfangreiche Betreuung bis weit nach der Einreise? Ist die anzuwerbende Pflegekraft noch im Ausland? Oder schon in Deutschland? Spricht sie bereits Deutsch? Hat sie schon ihren Defizitbescheid von der deutschen Behörde erhalten?
Ja, es gibt Anbieter, die möchten mit Kandidat*innen Geld machen, an die man als Unternehmen auch direkt herankäme. Und zwar mit der Schaltung einer Stellenanzeige für einen Platz im Anpassungskurs. Oder für einen Job als „Pflegefachperson in Anerkennung“ während der Teilnahme am Anpassungskurs in einer anderen Bildungsstätte. Andererseits wird das Urteil „ist alles viel zu teuer“ oft vorschnell gefällt.
Bedenken, dass der Personalvermittler in Vorleistung geht
Gute Dienstleister gehen auf eine Weise in Vorleistung, die sich einem erst erschließt, wenn man den Aufbau eines Programmes selbst einmal begleitet hat. Diese Kostenfaktoren muss bei einem eigenständigen Recruitingprojekt das Unternehmen selbst berücksichtigen. Weiter unten gehe ich im Einzelnen darauf ein. Billiger ist die Auslandsrekrutierung zumindest kurz- und mittelfristig durch das selbstständige Engagement nicht. Nur wenn es gelingt, das Programm über Jahre aufrecht zu erhalten, können sich Aufwand und Nutzen irgendwann auf einem Niveau einpendeln, das einen Vorteil für das Unternehmen darstellt.
[Werbung] Die nachhaltige Integration der Pflegefachkräfte aus Tunesien, Albanien, von den Philippinen oder aus anderen Ländern ist dann nochmal viel schwieriger als ihre Anwerbung. Auf verschiedenen Ebenen kann es zwischen ausländischen und einheimischen Mitarbeitenden in einem Team zu Konflikten kommen. Darum ist es unumgänglich, sich Unterstützung zu holen und in das Thema einzulesen. Wichtige Tipps geben meine Mitautorin Olivia Prauss und ich in der zweiten, aktualisierten Auflage unseres Fachratgebers „Betriebliche, kulturelle und soziale Integration ausländischer Pflegekräfte“ (Amazon Affiliate Link), Olivia Prauss und Maja Roedenbeck Schäfer, Walhalla Verlag, 2023.
Zum besseren Verständnis der Dienstleister hier noch der Hinweis, dass es für sie nicht leicht ist, den richtigen Zeitpunkt für die Vermittlung zu finden. Zu früh im Prozess dauert es den Unternehmen zu lange bis zur Arbeitsaufnahme. Sie sind noch nicht bereit zu zahlen. Zu spät im Prozess sind die schon entstandenen Kosten und Zeitaufwände bereits sehr hoch. Und zudem die Pflegekräfte manchmal schon sehr selbstständig. Die Vorleistung lässt sich dann kaum noch in Gänze vom Arbeitgeber zurückfordern. Und die Kandidat*innen treten womöglich eigenständig an Unternehmen heran.
Von Abbruchquoten, Verwaltungsakten und anderen Hürden
Dasselbe Dilemma gilt für den Frust, der durch Einreiseverzögerungen, Abbrecher*innen und andere Stolpersteine aufkommt. Gerne schieben Gesundheitseinrichtungen solche Probleme auf die schlechte Arbeit des Personalvermittlers. Und manchmal liegen sie damit auch richtig. Andererseits stecken aber auch oft Ereignisse dahinter, auf die der Dienstleister keinen Einfluss hat. Und die dem Unternehmen, das selbstständig im Ausland rekrutiert, genauso blühen können. Das kann eine Pandemie sein, eine überlastete Behörde. Oder die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Lebensweges. Wenn ein internationaler Bewerber monatelang auf die Ausreise warten muss, kann es natürlich passieren, dass er seine Meinung ändert.
Auch können Kooperationspartner wie Sprachschulen und Bildungsstätten im Ausland wegbrechen. Zum Beispiel, weil sie pleitegehen und schließen. Oder weil die Schüler*innen plötzlich andere Länder als Zielländer oder andere Unternehmen als Zielarbeitgeber ihrer Arbeitsmigration bevorzugen. Die ausländischen Bildungsstätten arbeiten häufig nicht exklusiv mit ihren Kooperationspartnern zusammen, sondern bauen ein ganzes Netzwerk auf. Wenn der Zufluss an Fachkräften aus einem dieser Gründe versiegt, fängt man wieder von vorne an – als Personalvermittler wie auch als direkt im Ausland rekrutierendes Unternehmen.
Erwartungsmanagement und realistische Pläne
Es gibt nur einen Weg, um eine Kooperation zur Rekrutierung von Pflegekräften im Ausland auf sichere Beine zu stellen: Pragmatisch und realistisch bleiben, statt allzu optimistisch an die Sache heranzugehen. Sich mit möglichen Hürden vertraut machen und proaktiv darauf einstellen. Gutes Erwartungsmanagement in Richtung aller Beteiligter betreiben.
Exklusiv für Abonnent*innen beschreibe ich im Folgenden:
- Wie sieht ein realistischer Zeitplan für den Aufbau eines eigenen Rekrutierungsprogramms im Ausland aus?
- Welche Kostenfaktoren sind insbesondere initial zu berücksichtigen?
- Auf wie viele Arbeitsmigrant*innen darf man sich einstellen? Welche Faktoren spielen beim Druchhalten bzw. Abbruch eine Rolle? Zahlt sich eine verständnisvolle Begleitung oder das streng-strukturierte Durchziehen des Programms eher aus?
Ausführliche Tipps exklusiv für Abonnent:innen
Erste Erfolgserlebnisse motivieren
Angesichts all der beschriebenen Herausforderungen bei einem internationalen Fachkräfte-Anwerbungsprojekt „auf eigene Faust“ ist es umso schöner, die ersten positiven Ergebnisse zu sehen. Ich habe in Tirana unsere Programmteilnehmer*innen getroffen und sehr sympathische junge Menschen kennengelernt, die es kaum erwarten können, ihr Leben in die Hand zu nehmen und ihre Familien stolz zu machen.
Und zum Glück haben wir bei den DRK Kliniken Berlin eine Geschäftsführung, die eine realistische Erwartungshaltung hat. Die nicht wie mancher Gesundheitskonzern großspurig-naiv 400 erfolgreiche Anwerbungen pro Jahr plant. Sondern die weiß, dass jede einzelne internationale Pflegekraft, die wir mit intensiver Betreuung für die Mitarbeit bei uns gewinnen können, ein Riesenerfolg ist. Hier einige schöne Beispiele:
„Unsere Freunde sind alle schon im Ausland“: Ermir, Gladiola und Ervin aus Albanien
Ermir, Gladiola und Ervin haben sich im Studium des Bachelor of Nursing an der Aldent Universität in Tirana angefreundet. „Same people, same minds“ – so beschreiben sie ihre Beziehung. Also beinahe schon als Seelenverwandtschaft. Kein Wunder, dass sie nun auch alle drei zusammen beschlossen haben, über die Kooperation der DRK Kliniken Berlin Köpenick mit der Aldent Universität nach Deutschland zu kommen, um bei uns zu arbeiten! Bei einem Treffen in Albanien haben sie uns mehr über ihre Familien, ihre Nebenjobs und ihre Erlebnisse im Pflichtpraktikum erzählt, in dem sie sich gerade befinden.
„Ich erlebe Krankenschwestern als sehr inspirierend“: Hasbina, Pflegefachfrau aus Albanien
Als ich mich mit Hasbina gerade an einen Tisch im Café an Tiranas künstlich angelegtem See im Stadtpark gesetzt habe, kommt eine demente Seniorin auf sie zu. „Bina“, wie die 25-Jährige von ihren Freunden genannt wird, kennt sie nicht, aber ergreift sofort die Hände der alten Dame, schaut ihr liebevoll in die Augen und hört ihr aufmerksam zu. „Vielleicht erinnere ich sie an jemanden!“, überlegt sie. Völlig klar: Hasbina ist die geborene Pflegefachfrau! Nachdem sie voraussichtlich im März 2025 ihre albanische Berufslizenz bekommen wird, wird sie über unser Kooperationsprogramm mit der Aldent Universität in Tirana in die DRK Kliniken Berlin Köpenick kommen, um hier zu arbeiten.
„Ich bin es gewohnt, neu anzufangen“: Laureta, Pflegefachfrau aus Albanien
„Faleminderit“ heißt „Danke“ auf Albanisch und setzt sich aus den Worten „Beten“ und „Ehre“ zusammen. Das hat Lauretas Opa ihr erklärt und jetzt erklärt sie es mir. In einem Café in einer ehemaligen byzantinischen Festungsanlage in Tirana bespreche ich mit der Bachelor of Nursing-Absolventin, welche Schritte nach ihrem Pflichtpraktikum in einer Notaufnahme für Infektionskrankheiten, das in wenigen Tagen endet, noch zu gehen sind, bis sie über unser Kooperationsprogramm mit der Aldent Universität nach Deutschland kommen kann, um in den DRK Kliniken Berlin Köpenick zu arbeiten. Aber ich höre ihr auch gerne zu, wenn sie über ihr
Leben erzählt. Im Interview erfahrt ihr, was Laureta als Kind werden wollte und was Heimat für sie bedeutet.
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