Virtueller Rundgang im Recruiting: Wenn Bewerber am Bildschirm durchs Unternehmen spazieren und Mitarbeiter treffen

Sympathische, authentische Einblicke ins Unternehmen. Das ist einer der wichtigsten Bausteine, um Fachkräfte zur Bewerbung zu überzeugen. Nachdem immer mehr Unternehmen solche Einblicke mit Social Media und Video Content ermöglichen, muss sich der fortgeschrittene Recruiter etwas Neues ausdenken.

Kay Mitschke von der Firma Stadtkind360 aus Dresden über so genannte 360 Grad Touren, mit denen man sich als Unternehmen im Gesundheitswesen (noch) abheben kann, am Beispiel des DRK Bildungswerks Sachsen. Ergänzt wurden die Infos von Katrin Lottermoser. Sie ist dort Referentin für PR und Marketing und verantwortlich für das Projekt.

Was ist ein 360 Grad Rundgang?

Ein 360 Grad Rundgang, auch 360 Grad Tour oder Virtueller Rundgang genannt, ist eine Unternehmensvorstellung, die im Grunde aufgebaut ist wie ein Computerspiel. Oft beginnt der Rundgang mit einer Drohnenaufnahme des Unternehmens. Sie verschafft einen guten Überblick über größere Firmengelände. Der Bewerber klickt sich von dort aus in und durch verschiedene Räume des Unternehmens. Sie sind mit Inhalten zu Berufen oder dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens bestückt.

Der Nutzer kann sich also per Klick auf eingeblendete Pfeile durch die Räume bewegen. Oder indem er das Bild per Maustaste wie bei Google Street View nach links und rechts zieht. Die Räume haben wir mittels interaktiver, hochauflösender Panorama-Fotografie in die digitale Welt übertragen. Man nennt das auch „Gamification“, wenn ein Informationsinhalt auf derart spielerische Weise vermittelt wird. Es ist praktisch eine Weiterentwicklung des Edutainment-Ansatzes. Dabei wurden Informationen mit ersten unterhaltsamen Elementen wie Videos aufgelockert.

Mit welchen Inhalten sind die Räume denn genau bestückt?

In die Fotos von den Räumen sind anklickbare Symbole integriert. Damit lassen sich zum Beispiel Mitarbeitervideos oder Slideshows starten und Grafiken öffnen. In den Grafiken werden Statistiken oder Fakten aus dem Unternehmen illustriert. Es gibt also in jedem Raum etwas zu tun, damit es nicht langweilig wird.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

In zukünftigen Projekten werden wir den spielerischen Ansatz ausbauen. Das geschieht, indem wir kleinere Rätsel oder Wissensaufgaben integrieren. So erzeugen wir eine noch größere inhaltliche Nähe zwischen dem Interessenten und dem Unternehmen.

Wie kann das am Beispiel eines Unternehmens aus dem Sozial- und Gesundheitswesen aussehen?

360 Grad Rundgänge werden zum Beispiel auch in der Immobilienbranche angewandt, um in Zeiten von Corona Wohnungsbesichtigungen zu ermöglichen. Ein noch recht neuer Anwendungsfall ist das Recruiting. Beim DRK Bildungswerk Sachsen, dessen Virtuellen Rundgang für den Standort Dresden wir im Rahmen des Projektes „Scout-Ed“ der intersyst GmbH erstellen durften, kommt der Interessent zunächst auf die Einrichtungswebseite. Dort findet er neben einem Video, das den Standort vorstellt, auch das Startfenster zum 360-Grad-Rundgang. Darin kann er zum Beispiel den Lehrraum der Ernährungsberater besuchen, wo Diätassistentin Claudia im Video über ihre Karriere erzählt.

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Die Fotos in der Ernährungsberatung wirken bunt und einladend mit Vorratsschrank inklusive allerlei Lebensmitteln, über die eine Diätassistentin oder ein Diätassistent Bescheid wissen muss. Über das Foyer gelangt der Nutzer in einen weiteren Übungsraum. In diesem befinden sich mit Requisiten lebensecht nachgestellte Notfallszenen. Der Bewerber sieht, wo Auszubildende für den Beruf des Notfallsanitäters die Erstversorgung eines vom Baugerüst gestürzten Handwerkers üben.

Im Bewegungsraum erfährt der Bewerber einige interessante Facts aus der Physiotherapie. Dass der Mensch 656 Muskeln im Körper hat, zum Beispiel. Wenn er sich für diesen Beruf interessiert, kann er mit einem Klick den 360º Rundgang verlassen. Er wechselt dann auf die Website des Bildungswerks in die Rubrik der Physiotherapie Ausbildung, um weitere Informationen zu erhalten.

Was kostet ein 360 Grad Rundgang und wie ist er technisch aufgesetzt?

Das kann man nicht verallgemeinern. Dafür sind die Projekte einfach zu individuell. Sie unterschieden sich in der Größe, der Menge und Art der eingebauten Inhalte, der Nutzung ganz spezieller Features. Wir setzen das technische System eines anderen Anbieters ein und ergänzen es mit selbst programmierten Funktionen.


Wir berechnen die Kosten in Tagessätzen. Bei uns arbeiten zwei Personen an einem Projekt. Für die Aufnahmen und die Erstellung einer 360º-Tour wie der des DRK Bildungswerkes Sachsen brauchen wir etwa 5 Tage. Meist lassen die Unternehmen Inhalte wie Mitarbeitervideos direkt von uns mit produzieren. Dann kommen noch 2 bis 3 Tage hinzu.

Prinzipiell begleiten wir unsere Kunden während ihres Projektes immer durch alle Prozesse. Das beginnt mit einer ausführlichen Bedarfsermittlung zu Beginn, geht über beratende Anteile während der Contentproduktion und schließt mit der Weitergabe von Tipps zur Vermarktung des 360º-Rundganges.

Zusätzlich zu den Kosten für das Aufsetzen des Rundgangs entstehen jährliche Hosting- und Supportkosten.

Wie ist das DRK Bildungswerk Sachsen darauf gekommen, einen Virtuellen Rundgang anzubieten?

Der Kooperationspartner Scout Ed, mit dem das DRK Bildungswerk Sachsen vor der Corona Pandemie Messeauftritte geplant hatte, hat die Einrichtung beraten, mit welchen alternativen Mitteln Bewerber:innen in Lockdown-Zeiten für den Sozial- und Gesundheitsbereich gewonnen werden können. Ein Vorschlag war der 360 Grad Rundgang, der dann auch umgesetzt wurde.

Gab es Kritiker oder Budget Probleme?

Lottermoser: Die digitale Begehbarkeit unserer Schule stand schon länger auf unserem Plan. Leider fehlte es immer an Zeit und der zwingenden Notwendigkeit, das umzusetzen. Denn wir konnten unsere Schule von innen bis vor Corona-Zeiten an unseren internen Veranstaltungen wie Tagen der offenen Tür und Infotagen live und in echt den Besuchern zeigen.

Mit den Schulschließungen durch Corona und damit dem Wegfall von Berufsorientierungsveranstaltungen und Messen mussten wir nach neuen Wegen suchen, um trotzdem den Interessenten zu zeigen, wer wir sind, was wir anbieten und welche Ausbildungsmöglichkeiten und –bedingungen wir in unserer Schule anbieten.

Vor diesem Hintergrund landete die Umsetzung des 360° Rundgangs ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Umstellung auf digitales Lernen und damit die sich weiter ausbreitende Nutzung von Technik bei den Schülern und Eltern beflügelte uns zusätzlich. Weil wir durch abgesagte Messen Kosten sparten, konnten die frei gewordenen Mittel für den Virtuellen Rundgang eingesetzt werden. Es gab keine Kritiker. Alle waren von der Umsetzung überzeugt und machen mit.

Was sind (derzeit noch) die Grenzen der 360 Grad Tour Methode?

Anwendungsfälle gibt es mittlerweile unzählige. Vom kleinen Einzelhändler, der sein Angebot präsentieren will, bis hin zu Großunternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren möchten, geht alles.

Wie bei vielen Dingen sind die Genzen fließend. Was vor einem Jahr noch nicht umsetzbar war, ist heute möglich. Wir entwickeln unsere Rundgänge ständig weiter. Das betrifft vor allem die Features sowie das Handling.

Beim Handling haben Nutzer manchmal noch Schwierigkeiten, weil sie es nicht gewohnt sind, sich im virtuellen Raum zu bewegen. Es gibt die Möglichkeit, erstmal die Navigationshilfe im Menü aufzurufen und sich mit den Möglichkeiten der „Fortbewegung“ vertraut zu machen. Aber das Ziel ist natürlich, dass sich die 360 Grad Tour intuitiv erklärt.

Welche Grenzen sieht das DRK Bildungswerk Sachsen?

Lottermoser: Wir sind an keine Grenzen gestoßen. Für alle Ideen fanden Stadtkind360 und die Intersyst GmbH eine Lösung. Aber natürlich ist alles eine Frage des Geldes. Je mehr Features man einbaut, desto teurer wird das Gesamtprojekt.

Das Schöne ist, dass nichts festgezurrt ist. Sondern dass die Features des 360° Rundgangs jederzeit angepasst, ausgetauscht und erweitert werden können [durch den Dienstleister. Es gibt in diesem Beispiel kein Redaktionssystem, in dem die Inhalte selbst gepflegt werden können. Anm. d. Red.]. So haben wir erstmal eine Basis geschaffen, die je nach Entwicklungstrends ausgebaut werden kann.

Virtueller Rundgang: Wird regelmäßig das Nutzerverhalten ausgewertet und das Angebot entsprechend der Erkenntnisse optimiert?

Wir könnten das Nutzerverhalten tracken, wenn es gewünscht wäre. So sehen wir, wie viele Besucher wie lange auf dem 360º-Rundgang unterwegs waren. Außerdem können wir den Erfolg bestimmter Marketingmaßnahmen anhand der Besucherzahlen auswerten.

Daraus ergeben sich Optimierungsmöglichkeiten auf technischer sowie auf der Marketing-Seite. Allgemein kann man sagen, dass Besucher eines 360º-Rundganges etwa 5x länger auf der Webseite bleiben, als sie es auf einer Homepage ohne virtuelle Elemente tun.

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2 Kommentare

  1. Uns hat es wirklich sehr viel Spaß gemacht, dieses Projekt für das DRK Bildungswerk umzusetzen. Wichtig ist, dass man die Bedarfe der Unternehmen erkennt und dafür ein Konzept entwickelt. Die Zielgruppe muss im Fokus stehen und entsprechend muss die Bild- und Tonsprache gestaltet werden. Da wir seit über 10 Jahren im Bereich Berufsorientierung tätig sind, haben wir da die besten Referenzen.
    Danke an Katrin Lottermoser und unserem Partner für 360° Stadtkind.
    Jana Simmat von “Scout Ed”

  2. Hallo Jana, danke für deinen Kommentar! Wenn ihr noch mehr schöne Best Practices aus dem Sozial- und Gesundheitswesen habt, halte mich gerne auf dem Laufenden! Gruß, Maja

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