Wie ein ausgefallenes Werbegeschenk bei einer Recruiting-Aktion auf Facebook für Aufregung sorgte

Das Team Personalmarketing bei der Diakonie Deutschland saß am verlängerten Himmelfahrtswochenende vor dem Laptop statt am Badesee. Der Grund: Ein Werbegeschenk.

Mit einer T-Shirt-Verschenkaktion anlässlich des Aktionstags Pflege hatten wir bei Facebook unerwartet Entrüstung ausgelöst. Bei vermeintlich jugendgerechten Recruiting-Aktionen besteht ja immer das Risiko, sich zu blamieren. Ausgefallene Werbegeschenke für Jugendliche zu finden, ist nicht leicht. Also: Totale Blamage oder genialer Schachzug? In diesem Fall lautet nach sorgfältiger Auswertung trotz der unerwarteten Feiertagsschicht unser Fazit: Ziel erreicht.

Was war der Aufreger?

Anlässlich des Aktionstags Pflege, einer bundesweiten Veranstaltung der Diakonie zum Internationalen Tag der Pflege, die in diesem Jahr unter dem Motto „Personalgewinnung“ stand, haben wir auf Facebook Tanktops verschenkt. Im Sinne einer „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“-Kampagne sollten unsere Facebook-Fans Menschen aus ihrem Freundeskreis markieren, die auch in der Pflege arbeiten und denen sie die Diakonie als Arbeitgeberin empfehlen möchten. Auf die Shirts hatten wir den Spruch „I bims 1 Pflegekraft vong Herzen her“ drucken lassen (und ja, das war unsere eigene Idee, nicht die einer Agentur).

Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Jugendworts 2017, das zum Beispiel auch so angewendet werden kann: „I bims 1 Genie vong Kopf her“. Auch eine Bank hat diese Redewendung bereits im Marketing verwendet. Auf Erwachsenen-Deutsch bedeutet unser T-Shirt-Spruch: „Ich bin von ganzem Herzen Pflegekraft“. Wir wollten damit zeigen, dass die Diakonie eine moderne Arbeitgeberin mit Humor ist, die dem Nachwuchs auf Augenhöhe gegenübertritt.

Wenn Humor nicht ankommt

Es war ein Versuch, ein ausgefallenes Werbegeschenk für Jugendliche und Junggebliebene zu kreieren. Das kam allerdings nicht bei allen Facebook-Fans so an. Tagelang regnete es – nicht nur, aber auch – negative Kommentare. Folgende Kritikpunkte ließen sich herausfiltern:

  • Mit einem Spruch voller absichtlicher Rechtschreibfehler würden Pflegekräfte als dumm dargestellt bzw. der Pflegeberuf als „Job für Doofe“.
  • Mit dem Spruch erwecke die Diakonie den Eindruck, sie wolle dem Fachkräftemangel in der Pflege mit der Rekrutierung einer bildungsfernen Zielgruppe begegnen. Diese Klientel sei dem anspruchsvollen Pflegeberuf aber nicht gewachsen.
  • Der Spruch betoniere die altmodische Sichtweise, dass man den Pflegeberuf aus reiner Nächstenliebe (= „von Herzen“) ergreift. Das Engagement für eine angemessene Bezahlung der Pflege würde zunichte gemacht.
  • Den Spruch kenne niemand, kein Jugendlicher benutze ihn.
  • Das Wort „bims“ erinnere an „bumsen“. Der Spruch fordere zum Geschlechtsverkehr mit Pflegekräften auf.

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Leidenschaftliche Argumente auf Facebook

Interessant, was in einen simplen T-Shirt-Spruch und den gut gemeinten Versuch, ausgefallene Werbegeschenke für Jugendliche zu finden, alles hineininterpretiert werden kann. Die Argumente habe ich hier sehr sachlich zusammengefasst. Auf Facebook wurden sie, sagen wir, „leidenschaftlicher“ formuliert. „Also dieses T-Shirt ist gerade der Grund geworden, mich niemals bei einer von der Diakonie getragenen Einrichtung zu bewerben!“, ist da noch ein harmloses Beispiel.

Schwierig war, dass die Argumente wild durcheinander gingen und man teils gar nicht genau verstand, woran sich jetzt genau der Zorn entzündete. So ging im Eifer des Gefechts denn auch die eine oder andere Antwort unsererseits am Kritikpunkt vorbei. Es kamen aber auch positive Kommentare:

  • „Das wäre mal eine geile Arbeitskleidung!“
  • „Dann bin ich ja total hip! Wir verwenden den Spruch immer, wenn wir Quatsch machen wollen!“
  • „1 herrliche Aktion! Pflege kann auch Humor!“

Wie haben wir reagiert?

In Leitfäden zur Krisenkommunikation steht immer so schön, man soll sich auf mögliche Kritik vorbereiten und entsprechende Reaktionen schon in der Schublade liegen haben. Wie man an unserem Beispiel sieht, funktioniert das nicht. Denn wenn man vorhersehen könnte, wodurch eine Krise ausgelöst wird, würde man es ja einfach vermeiden.

Klar hatten wir damit gerechnet, dass unsere Tanktops nicht jedem gefallen würden, aber dass sie eine solche Entrüstung auslösen könnten, darauf sind wir nicht im Traum gekommen. Sonst hätten wir die Verschenkaktion wohl kaum vor das lange Wochenende gelegt. Und umgekehrt ist es – kann ich nach acht Jahren Erfahrung im Personalmarketing ganz klar sagen – auch nicht besonders Erfolg versprechend, wenn man jede Aktionsidee vorher auf mögliche Risiken hin zerredet, bis sie völlig glattgebügelt ist.

Warum schimpft ihr denn alle auf mich?

Wir geben zu: Die teils wütenden Kommentare auf Facebook haben uns ganz schön zu schaffen gemacht. Die innere Reaktion, wenn man an so einem Wochenende vor dem Laptop sitzt und ängstlich auf weitere „Plings“ für neue Nachrichten wartet, reicht von: „Wenn ihr keinen Humor habt und euch dann auch noch über bildungsferne Schichten erhebt, braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn niemand mit euch in der Pflege arbeiten will!“ bis hin zu: „Warum schimpft ihr denn alle auf mich, ich bin doch bloß eine kleine Projektleiterin?“

Wichtig war dann, diese persönliche Betroffenheit beiseite zu schieben beziehungsweise nicht selbst persönlich zu werden und die Geschehnisse sachlich zu bewerten. Dann formt sich ganz schnell ein realistisches Bild.

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Ausgefallenes Werbegeschenk für Jugendliche: Die Auswertung

  1. Kritik für Kampagnen und Aktionen gehört in der Onlinekommunikation dazu – es kann nicht immer nur Awards geben.
  2. 45 Kommentare, 44 Likes, 33 Shares und eine Reichweite von über 3.000 Personen (Stand 15.5.) sind zwar für einen Post in unserem Nischenkanal „SOZIALE BERUFE kann nicht jeder“ (5.600 Fans) viel, doch im großen ganzen Facebook nur eine Fliege an der Wand. Auch wenn es sich zeitweise so anfühlte – es hat sich nicht die ganze Welt über unsere Tanktops echauffiert!
  3. Die Menschen, die bei Facebook so heftig reagieren, tun dies, weil sie die Aktion als persönlichen Angriff empfinden. „Ich fühle mich extrem gedemütigt und beschmutzt“, schreibt eine Userin. Das war natürlich überhaupt nicht unser Ansinnen, aber wenn es jemand so empfindet, wenn man unabsichtlich jemanden verletzt hat, muss man das ernst nehmen.
  4. Nüchtern nachgezählt haben (Stand 15.5.) 25 Fans – die Mehrheit – unsere Aktion verstanden und mitgemacht, indem sie jeweils eine andere Person markiert und per persönlicher Nachricht um T-Shirts gebeten haben. Zehn Nutzer kommentierten die Tanktops ausdrücklich positiv. Drei diskutierten neutral mit und nur 13 User hinterließen negative Kommentare. Von einem Shitstorm kann man also wirklich nicht sprechen.

Wir geben auch das zu: Wir haben uns Hilfe geholt. Um die Diskussion in den Griff zu bekommen, haben wir einige Social Media-Manager aus unserem diakonischen Netzwerk angeschrieben und sie gebeten, sich in die Diskussion einzuschalten. Ausdrücklich waren sie aber aufgefordert, ihre ehrliche Meinung zu den Tanktops zu sagen, auch wenn sie ihnen nicht gefielen, nur eben auf eine sachliche Weise, sodass die Diskussion entschärft würde. Ungefähr drei bis fünf der positiven Kommentare, mit denen die Diskussion vorerst zum Stillstand kam, kamen auf diese Weise zustande.

Würden wir es wieder tun?

War die Aktion nun ein genialer Schachzug oder eine totale Blamage? Als alter Hase unter den Personalmarketing-Experten hat man in Sachen Nachwuchsgewinnung ja immer noch den verunglückten und vielfach verhöhnten Rap-Song der Polizei NRW von 2013 im Ohr („He Thorben, alter Checker, 1 – 2 – 3, du hattest dich beworben, Thorben, ja, du warst so frei…“). Aber bei unseren „I bims“-Shirts sind wir nach sorgfältiger Auswertung im Team zu dem Entschluss gekommen, dass es eine gute Aktion war (wäre mal spannend, ob die Recruiting-Gurus Knabenreich, Zaborowski oder Ullah das genauso sehen ;-)).

Wir haben Aufmerksamkeit für unseren Wohlfahrtsverband und das Recruiting in der Pflege bekommen und wunderbare Nutzerkommentare geerntet: „Für mich gibt es nichts Schöneres als in der Altenpflege zu arbeiten. Dieses Strahlen der älteren Menschen zu sehen, wenn sie dir dankbar sind oder sich nur freuen, dich zu sehen, gibt mir ein richtiges Glücksgefühl und zeigt mir, dass ich alles richtig mache!“ Darunter auch sachliche Überlegungen dazu, wie es der Pflege gelingen kann, den Nachwuchs auf Augenhöhe anzusprechen. T-Shirts mit einem harmloseren Spruch hätten das wahrscheinlich nicht zustande gebracht und wären im Grundrauschen der Social Media untergegangen. Ausgefallene Werbegeschenke für Jugendliche waren es auch nicht nur. Wir haben durchaus auch ältere Zielgruppen als die Generationen Y und Z erreicht.

Was würden wir nächstes Mal anders machen?

Nächstes Mal würden wir uns bei Personen, die sich erkenntlich persönlich angegriffen fühlen, direkt online entschuldigen und sie in ihrer persönlichen Betroffenheit ernster nehmen – ohne gleich die ganze Aktion zu stoppen. Wir würden uns besser an die erste Regel der Krisenkommunikation halten, dass man Kritikern einmal ausführlich antwortet und alle weiteren Kommentare unbeantwortet stehen lässt.

Denn wie sich wieder einmal bestätigt hat, führt alles Weitere nur zu immer neuen „Wutausbrüchen“. Wir würden früher damit beginnen, die negativen Kommentare sachlich auszuwerten: Welche Argumentationsstränge gibt es? Wer sagt nur seine Meinung („Gefällt mir nicht“) und wer überschreitet eine Grenze? Wie ist das Verhältnis zwischen negativen und positiven Reaktionen (ein Drittel/zwei Drittel ist doch eine gute Quote!)?

Erhitze Gemüter beruhigen

Auf diese Weise würden dann auch unsere Reaktionen unaufgeregter und würden noch schneller dazu beitragen, die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob sich Kritiker eher durch distanziert-professionelle oder durch persönlich-engagierte Antworten beruhigen lassen. Wir haben den persönlichen Weg gewählt und die eigene Meinung und Erfahrung in die Antworten mit eingebracht. Damit macht man sich angreifbar,  aber man stellt sich eben auch persönlich in den Ring, anstatt die User an einer Wand aus professionellem Marketing abprallen zu lassen. Das würden wir nächstes Mal wieder so machen.

Offenbar haben wir mit unserem ausgefallenen Werbegeschenk für Jugendlichen und der anschließenden Aufregung bei Facebook ganz gut die Kurve gekriegt. Die Nutzerin, die eingangs schrieb, sie würde sich nach dieser Aktion nie mehr bei der Diakonie bewerben, schrieb am Ende „Dann kann ich ja vielleicht doch mal `ne Bewerbung bei euch reinschmeißen :-).“ Sehr gerne, wir freuen uns!

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2 Kommentare

  1. Ich habe die Aktion nicht verfolgt, aber ich finde es super, dass ihr hier mal ausführlich die konstruktive und selbstkritische Nachbarbeitung der Kampagne darlegt. Respekt!

  2. Maja Roedenbeck Schäfer

    8. Juni 2018 um 19:44 Uhr

    Hallo Thorsten, ich dachte, es hilft vielleicht Social Media-Managern, die ähnliches erleben. Freut mich, dass es dir gefällt! Möchtest du – wie versprochen – ein Buch geschenkt bekommen? Recruiting to go oder die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland? LG, Maja

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