Seit Jahren versuchen wir vom Recruiting Team der DRK Kliniken Berlin, eine nachhaltige Lösung für das Personalmarketing auf TikTok zu finden. Wir haben die Werkstudent*innen im Recruiting Team angefragt und eine Corporate Influencer-Fortbildung für Mitarbeitende angeboten. Wir haben Unterrichtseinheiten zum Thema „Social Media“ in unserer Pflegeschule gestaltet, Praxisanleiter*innen geschult und FSJler*innen gebeten. Doch niemand traute sich zu, mehrmals die Woche Content für die Kurzvideo-Plattform zu liefern. Nun haben wir eben einen Nachwuchsschauspieler und -synchronsprecher auf Minijobbasis als Corporate TikTokker engagiert.
Warum wir um TikTok nicht mehr herumkamen
Während Nachwuchs- und Personalgewinnung in den DRK Kliniken Berlin in den vergangenen Jahren noch separat betrachtet wurden, sind die beiden Themen in letzter Zeit immer enger zusammengewachsen. Denn die Ausbildungsplatzkapazitäten wurden massiv erhöht. Auch bilden wir nicht mehr nur in den drei klassischen Pflegeberufen – Pflegefachperson, Pflegefachassistent*in, Operationstechnische*r Assistent*in – an unserem Bildungszentrum aus. Inzwischen kooperieren wir mit externen Bildungsträgern und bieten praktische Ausbildungsplätze in verschiedensten Bereichen von der Fachinformatikerin für digitale Vernetzung bis zum Medizinischen Technologen für Laboratoriumsanalytik. Auch Studienplätze im dualen Studiengang Hebammenwissenschaften oder Pflege sind bei uns vorhanden.
Die Bewerberzahlen für die Ausbildungen sind sehr hoch, weit über tausend Bewerbungen gehen jedes Jahr dafür ein. Doch wir haben ja auch viele Plätze zu besetzen. Und da sich die jungen Leute oft bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig bewerben, manchmal die Voraussetzungen, die Motivation oder die Bewerbungsqualität nicht passt, werden viele Bewerbungen aussortiert oder zurückgezogen. Die Plattform TikTok ist – obgleich natürlich zurecht umstritten – der wichtigste Onlineort für die Nachwuchsgewinnung. Nach einigen Verhandlungen mit der IT-Abteilung haben wir einen eigenen Laptop bekommen, der unabhängig von der Unternehmens-IT funktioniert und ausschließlich für TikTok und die zugehörige Videoproduktions-App CapCut genutzt wird.
Welche Lösungsansätze es noch gibt
Man kann natürlich auch eine Social Media-Agentur oder einen Recruiting-Dienstleister mit der Bespielung von TikTok betrauen. Dort werden jedoch pro Video vierstellige Summen veranschlagt (z.B. Jobflow.io: 2.200 € netto), was bei einer Redaktionsplanung mit täglichen Clips nicht bezahlbar wäre. Auch wäre das Protagonist*innen-Problem mit diesem Ansatz nicht gelöst, denn diese muss das Unternehmen weiterhin selbst stellen.
Wer prominente Influencer als TikTok-Botschafter engagieren möchte, muss je nach Bekanntheit für ein einzelnes Video mit Honoraren im drei- bis vierstelligen Bereich rechnen. Auch das ist angesichts der geplanten Beitragsfrequenz zu teuer. Außerdem stehen bekannte Influencer zwar für befristete Kooperationen mit Unternehmen zur Verfügung, jedoch nicht oder nur gegen hohe Entlohnung für eine dauerhafte, exklusive, tägliche Zusammenarbeit.
Wenn man dagegen die Bereitschaft junger Mitarbeitender oder Azubis durch monetäre Anreize erhöhen will, gibt es rechtliche Probleme. Denn wegen der bestehenden Schutzregelungen für Ausbildungsverhältnisse ist es kaum möglich, zusätzlich Honorarverträge für Marketingtätigkeiten abzuschließen. Nicht zuletzt hätte ich als Leiterin Strategisches Recruitment selbst mein Gesicht für TikTok herhalten können, schließlich habe ich auch schon Quatsch-Videos für Instagram gedreht. Aber mit 47 Jahren bin ich – das muss man sich dann einfach ehrlich eingestehen – zu alt dafür.
Die Entscheidung für unseren Corporate TikTokker
Wir haben uns schließlich entschieden, Luke Dylan Schäfer als Corporate TikTokker auf Minijobbasis für den TikTok-Kanal der DRK Kliniken Berlin zu engagieren. Warum?
- Luke hat eine glaubwürdige Motivation, das Gesundheitswesen und Menschen in Krankenhausberufen zu unterstützen (siehe dazu dieses TikTok-Video): Sein chronisch kranker Vater hat Zeit seines Lebens viele Jahre in Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen verbracht
- Luke hat als Nachwuchs-Schauspieler und –Synchronsprecher schon Rollen und Aufträge in verschiedenen Krankenhausserien von „Greys‘ Anatomy“ bis „Die Spreewaldklinik“ gehabt
- Luke ist in den DRK Kliniken Berlin Westend geboren
- Luke bringt verschiedene Qualifikationen im Bereich Kommunikation mit – vom dreimonatigen Hörfunkpraktikum über mehrere Jahre Schauspielunterricht und einen eigenen Blog mit Film- und Hörspielrezensionen bis zur Weiterbildung im Videoschnitt
Nicht zuletzt ist er mein Sohn, die Information möchte ich nicht unterschlagen. Diese Tatsache wurde ausführlich mit der Compliance-Beauftragten, der Geschäftsführung und meinem Team diskutiert. Letztendlich waren wir uns einig, dass unsere Verwandtschaft zu dem Alleinstellungsmerkmal passt, das wir auch vorher schon im Personalmarketing kommuniziert haben: In unserem Unternehmen arbeiten grundsätzlich außergewöhnlich viele Angehörigen-Tandems. Von der Teamleiterin und Sachbearbeiterin in der Personalabteilung bis zur stellvertretenden Pflegedienstleiterin und der Abteilungsleiterin der Intensivstation gibt es allenthalben familiäre Bande. Und das ist ein Zeichen für einen familien- und mitarbeiterorientierten Arbeitgeber, auf das man stolz sein kann. Übrigens: Die fachliche Weisungsbefugnis für Luke habe ich an meine Recruiterin abgegeben.
Vom Azubi-Interview bis zur Newsmeldung: Formate und Rubriken
Obwohl wir erst wenige Wochen mit der neuen TikTok-Strategie am Start sind, haben sich schon verschiedene Formate und Rubriken etabliert, in denen wir unseren Content clustern können. Hier einige Beispiele:
Vorstellung
Aktionen für Mitarbeitende
Azubi-Interviews
Newsmeldungen
Rund ums Thema FSJ
Bildungszentrum
Die technische Ausstattung
Ihr werdet sehen, dass wir noch in der Experimentierphase sind und die Qualität der Clips sehr unterschiedlich ist. Das liegt daran, dass wir gerade verschiedene technische Geräte ausprobieren. Unsere wichtigsten Ausstattungsstücke sind derzeit [Amazon Affiliate Links]:
- iPhone: 1.000 Euro
- Gimbal-Stabilisator für Smartphones: 140 Euro
- Rode Wireless ME Drahtlos-Mikrofonsystem: 120 Euro
- Rode Richtmikrofon für iPhones (mit Windpuschel): 60 Euro
Tiktokker Luke beim FSJ Bildungstag
Wenn man nun schon einen unternehmenseigenen TikTokker hat, kann man ihn natürlich auch gleich zum Bildungstag unter dem Oberthema „Social Media“ für die 60 neuen FSJler*innen mitnehmen. Letztes Jahr hatten wir noch eine externe Influencerin dafür buchen müssen. Die Freiwilligendienstleistenden bekamen in der Einführungswoche einen kleinen Einblick in die Social Media-Strategie der DRK Kliniken Berlin, in der sich alles nur um Personalgewinnung dreht. So wollen wir von Anfang an ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Unternehmen auf die Mithilfe der Mitarbeitenden angewiesen ist, wenn es darum geht, neue Kolleg*innen zu gewinnen.
TikTokker Luke hat einen Vortrag gehalten:
Und auch gleich schon erste Videointerviews mit vier FSJlerinnen geführt:
Coming Soon
Was die FSJler*innen uns rückmeldeten
Nachdem sie sich die TikTok-Videos aus Lukes ersten Wochen bei den DRK Kliniken Berlin angesehen hatten, lieferten sich die neuen FSJler*innen eine angeregte Diskussion. Unseren FSJ-Koordinator*innen haben sie moderiert. Fast alle nutzen Instagram, einige nutzen TikTok, keiner ist bei Facebook. Einige sagen, der Trend gehe dahin, die sozialen Netzwerke nicht mehr als App auf dem Handy zu haben. Sondern lieber abends eine halbe Stunde am Laptop reinzuschauen. Denn es sei Zeitverschwendung, wenn man alle zehn Minuten von einer Push-Nachricht angeregt Instagram öffnet.
Weil sich die jungen Leute natürlich viel besser mit der Technik auskennen als wir, hatten sie einige gute Tipps für die Produktion. Keine Interviews in großen Räumen drehen, wo es hallt. Immer nur mit guten Mikrofonen aufnehmen, keine Spontanaufnahmen nur mit dem iPhone machen, damit der Ton bei allen Videos gleich ist. Aber das wichtigste Anliegen war ein anderes: „Bitte nicht nur lustige Clips produzieren und auf TikTok veröffentlichen“.
Ja, es ist nett anzusehen, wenn Luke durch den Rasensprenkler vor dem Bildungszentrum läuft, um sich im Sommer abzukühlen, oder beim nahegelegenen Lidl im Einkaufswagen sitzt, wo sich unsere Azubis ihren Pausenproviant holen. Wenn er Praktikant Florian dabei beobachtet, wie er bei einer Dankeschön-Aktion der Geschäftsführung auf dem Smoothie-Bike einen Fruchtdrink erstrampelt. Oder mit Eis am Stil in der Hand zur Social Media-Sommerchallenge aufruft. Aber niemand glaubt, dass die Arbeit im Krankenhaus von morgens bis abends nur Spaß macht. Wenn nicht auch rüberkommt, dass es sich um einen anstrengenden Beruf handelt, fühlt sich der Nachwuchs laut eigener Aussage veräppelt und hält den gesamten Kanalinhalt für unehrlich.
Eine gute Balance finden
Wir empfinden es als große Herausforderung, eine gute Balance zu finden. Denn klagen über den Pflegenotstand tun andere schon genug. Da wollen wir nicht einstimmen bzw. nicht im Marketing, sondern auf konstruktiver, politischer Ebene. Gefakt ist auf unseren Social Media-Kanälen auch nichts. All die schönen Mitarbeiteraktionen, von denen wir dort berichten, finden in unserem Unternehmen wirklich statt. Und es hilft auch unseren Kolleg*innen, bei Laune zu bleiben, wenn sie in den sozialen Netzwerken daran erinnert werden, welche netten Menschen sie hier eigentlich um sich haben und was das Unternehmen alles für sie tut.
Aber wenn dieser neue FSJ-Jahrgang nun angetreten ist, um höchstpersönlich das marode Gesundheitssystem vor dem Niedergang zu retten, von dem in den Nachrichten berichtet wird, müssen wir darauf natürlich eingehen und diese Motivation würdigen. Recruiting funktioniert nur bewerberorientiert. Genau hinhören lautet die Devise. Und vielleicht führt uns unsere TikTok-Zielgruppe da gerade vor, dass wir bei der Nachwuchsgewinnung und im Personalmarketing einen anderen Ton anschlagen müssen: Alles war schlecht – bis Du zu uns kamst!
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