Seit Jahren versuchen wir vom Recruiting Team der DRK Kliniken Berlin, eine nachhaltige Lösung für das Personalmarketing auf TikTok zu finden. Nun haben wir einen Nachwuchsschauspieler und -synchronsprecher auf Minijobbasis als Corporate TikTokker bzw. festangestellten Content Creator engagiert.
Zuvor hatten wir die Werkstudent*innen im Recruiting Team angefragt und eine Corporate Influencer-Fortbildung für Mitarbeitende angeboten. Wir hatten Unterrichtseinheiten zum Thema „Social Media“ in unserem Bildungszentrum gestaltet, Praxisanleiter*innen geschult und FSJler*innen gebeten. Doch während wir zwar den einen oder die andere fanden, die für einmalige Aktionen zur Verfügung standen, wollte sich niemand verpflichten, zuverlässig mehrmals die Woche Content für die Kurzvideo-Plattform zu liefern.
Keine Zeit, keine Lust, kein Know How
Die Gründe sind vielfältig: keine Zeit im Arbeitsalltag, keine Lust, sich ständig aufs Neue vor den Werbekarren des Arbeitgebers spannen zu lassen. Oder man nimmt auf Social Media lieber die Rolle des stillen Konsumenten als die des Content Creators ein. Die Ansprüche der Zielgruppe auf TikTok sind hoch und einschüchternd. Der Content soll lustigen, trendgerecht, aufmerksamkeitsstark und cool sein. Nur weil die junge Generation digitalaffin ist, heißt das noch lange nicht, dass sich jede*r mit der komplexen Kunst der Contentproduktion auskennt.
Ein Kritiker auf LinkedIn meinte, wenn unsere eigenen Leute keine Lust auf TikTok hätten, sei das vielleicht einfach nicht der richtige Kanal fürs Personalmarketing. Der Ansicht bin ich nicht. Egal ob LKW-Aufkleber, Bushaltestellen-Plakat, Employer Branding-Film oder Social Media: es ist immer schwierig, Protagonist*innen zu finden. Nicht jede*r ist eine geborene „Rampensau“ – und manche Personen passen auch einfach nicht in die konkrete Kampagne.
Warum wir um TikTok nicht mehr herumkamen
Aber treten wir zunächst nochmal einen Schritt zurück und beantworten die Frage: Warum überhaupt TikTok? Nun, während Nachwuchs- und Personalgewinnung in den DRK Kliniken Berlin in den vergangenen Jahren noch separat betrachtet wurden, sind die beiden Themen in letzter Zeit immer enger zusammengewachsen. Die Zuständigkeit für das Genz Z Marketing verlagert sich immer mehr vom Bildungszentrum zu den Expert*innen im Recruiting Team.
Denn die Ausbildungsplatzkapazitäten wurden massiv erhöht. Auch bilden wir nicht mehr nur in den drei klassischen Pflegeberufen – Pflegefachperson, Pflegefachassistent*in, Operationstechnische*r Assistent*in – an unserem Bildungszentrum aus. Inzwischen kooperieren wir mit externen Bildungsträgern und bieten praktische Ausbildungsplätze und auch Studienplätze in verschiedensten Bereichen von der Fachinformatikerin für digitale Vernetzung über den Bachelor Midwifery bis zum Medizinischen Technologen für Laboratoriumsanalytik.
Die Bewerberzahlen für die Ausbildungen sind sehr hoch, über 2.200 Bewerbungen gingen im laufenden Jahr 2024 bereits bis Oktober dafür ein. Doch wir haben ja auch viele Plätze zu besetzen. Und da sich die jungen Leute oft bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig bewerben, manchmal die Voraussetzungen, die Motivation oder die Bewerbungsqualität nicht passt, werden viele Bewerbungen aussortiert oder zurückgezogen. Die Plattform TikTok ist – obgleich natürlich zurecht umstritten – der wichtigste Onlineort für die Nachwuchsgewinnung. Snapchat & Co. wurden vom Platzhirschen verdrängt.
Welche Lösungsansätze es noch gibt
Nun kann man natürlich auch eine Social Media-Agentur oder einen darauf spezialisierten Recruiting-Dienstleister mit der Bespielung von TikTok betrauen. Dort werden jedoch pro Video vierstellige Summen veranschlagt (z.B. Jobflow.io: 2.200 € netto), was bei einer Redaktionsplanung mit täglichen Clips nicht bezahlbar wäre. Auch wäre das Protagonist*innen-Problem mit diesem Ansatz nicht gelöst, denn diese muss das Unternehmen weiterhin selbst stellen.
Wer prominente Influencer*innen als TikTok-Botschafter engagieren möchte, muss je nach Bekanntheit für ein einzelnes Video mit Honoraren im drei- bis vierstelligen Bereich rechnen. Auch das ist angesichts der geplanten Beitragsfrequenz zu teuer. Außerdem stehen bekannte Influencer zwar für befristete Kooperationen mit Unternehmen zur Verfügung, jedoch nicht oder nur gegen hohe Entlohnung für eine dauerhafte, exklusive, tägliche Zusammenarbeit.
Wenn man dagegen die Bereitschaft junger Mitarbeitender oder Azubis durch monetäre Anreize erhöhen will, gibt es rechtliche Probleme. Denn wegen der bestehenden Schutzregelungen für Ausbildungsverhältnisse ist es kaum möglich, zusätzlich Honorarverträge für Marketingtätigkeiten abzuschließen. Natürlich hätte ich als Leiterin Strategisches Recruitment selbst mein Gesicht für TikTok herhalten können, schließlich habe ich auch schon Quatsch-Videos für Instagram gedreht. Aber mit 47 Jahren bin ich – das muss man sich dann einfach ehrlich eingestehen – zu alt dafür. Der Versuch, mit Diaslideshows und Bildergalerien Bewegtbildcontent für TikTok zu improvisieren, hat uns zwar die anfängliche Scheu vor der Plattform genommen und die ersten Schritte erleichtert, aber nicht wirklich zufriedengestellt.
Erste Erfolge sind messbar
Wir haben uns schließlich entschieden, Luke Dylan Schäfer als Corporate TikTokker bzw. Content Creator auf Minijobbasis für den TikTok-Kanal der DRK Kliniken Berlin festanzustellen. Die ersten Erfolgszahlen sprechen deutlich dafür, dass das die richtige Entscheidung war:
- Seit Beginn der neuen TikTok-Strategie im Juli 2024 wurde auf dem Kanal gemessen: Videoaufrufe +118%, Reichweite +116%, Profilaufrufe +143%, Likes +94%, Kommentare +341%
- Die Bewerbungseingänge in 2024 für Ausbildungsplätze liegen bereits im Oktober bei +13%, für FSJ bei +62% im Vergleich zum gesamten Vorjahr
- Als Teil der seit Anfang 2020 laufenden neuen Recruiting-Strategie der DRK Kliniken Berlin zahlt die TikTok-Strategie auch auf die allgemeinen Erfolgskennzahlen ein. So lagen die Bewerbungseingänge in allen Berufsgruppen für 2024 bereits Ende des 3. Quartals um 9% über der Zahl für das gesamte Vorjahr. Alles, was bis Dezember noch eingehen wird, wird das Ergebnis noch verbessern. Außerdem erhielten wir eine Nominierung für den HR Excellence Award 2024.
Exklusiv für Abonnent*innen erkläre ich im Folgenden:
- Welche Kriterien bei der Auswahl eines Corporate TikTokkers wichtig sind und warum wir uns für Luke entschieden haben
- Welche Formate und Rubriken Luke auf unserem TikTok-Kanal etabliert hat (mit Beispiel-Clips zum Ansehen auch für Personen ohne TikTok-Account)
- Welche technische Ausstattung wir für den Dreh der TikTok-Clips benutzen und wieviel das gekostet hat
Außerdem gibt es im exklusiven Teil eine Präsentation zu unserer TikTok-Strategie zum Durchklicken der wichtigsten Insights auf einen Blick. Gerne halte ich diesen Vortrag ab dem 2. Quartal 2025 auch bei euren Recruiting-Veranstaltungen.
Ausführliche Tipps exklusiv für Abonnent:innen
Tiktokker Luke beim FSJ Bildungstag
Wenn man nun schon einen unternehmenseigenen TikTokker hat, kann man ihn natürlich auch gleich bei verschiedenen Nachwuchsevents einsetzen. Beim Meet & Greet auf Ausbildungsmessen kann er z.B. Autogrammstunden geben oder Besucher*innen interviewen. Wir haben Luke auch zum Bildungstag unter dem Oberthema „Social Media“ für unsere 60 neuen FSJler*innen des Jahrgangs 2024/25 mitgenommen.
Die Freiwilligendienstleistenden bekamen in der Einführungswoche einen kleinen Einblick in die Social Media-Strategie der DRK Kliniken Berlin, in der sich alles nur um Personalgewinnung dreht. So wollen wir von Anfang an ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Unternehmen auf die Mithilfe der Mitarbeitenden angewiesen ist, wenn es darum geht, neue Kolleg*innen zu gewinnen. Im Vorjahr hatten wir dafür noch eine externe Influencerin dafür buchen müssen. Diesmal hat Content Creator Luke einen Vortrag gehalten:
Im Anschluss hat Luke vier freiwillige FSJler*innen zu ihrer Motivation interviewt. Auch daraus ergaben sich wieder schöne TikTok-Clips:
Was die FSJler*innen uns rückmeldeten
Nachdem sie sich die TikTok-Videos aus Lukes ersten Wochen bei den DRK Kliniken Berlin angesehen hatten, lieferten sich die neuen FSJler*innen eine angeregte Diskussion. Unseren FSJ-Koordinator*innen haben sie moderiert. Zuerst fragten wir die Social Media-Nutzung ab. Während fast alle auf Instagram unterwegs sind, sind es bei TikTok etwas weniger. Aber z.B. Lilu kam ganz konkret durch unsere TikTok-Clips auf die Idee, mit ihrer Mutter über ein FSJ bei den DRK Kliniken Berlin zu sprechen. Bei Facebook sind die Gen Z und nachfolgende dagegen überhaupt nicht mehr vertreten.
Einige junge Leute berichteten von dem spannenden Trend, soziale Netzwerke nicht mehr als App auf dem Handy installiert zu haben. Sondern lieber abends eine halbe Stunde am Notebook oder Tablet zu schauen, wer heute was gepostet hat. Denn es sei wirklich Zeitverschwendung, wenn man alle zehn Minuten Instagram auf dem Handy öffne, nur weil man wieder mal eine Push-Nachricht bekommen habe, dass dort ein neues Foto oder ein neuer Kommentar veröffentlicht wurde.
Pflegetätigkeiten oder Spaßvideos zeigen?
Weil sich die jungen Leute natürlich viel besser mit der Technik auskennen als wir, hatten sie einige gute Tipps für die Produktion. Keine Interviews in großen Räumen drehen, wo es hallt. Immer nur mit guten Mikrofonen aufnehmen, keine Spontanaufnahmen nur mit dem iPhone machen, damit der Ton bei allen Videos gleich ist. Aber das wichtigste Anliegen war ein anderes: „Bitte nicht nur lustige Clips produzieren und auf TikTok veröffentlichen“.
Ja, es ist nett anzusehen, wenn Luke durch den Rasensprenkler vor dem Bildungszentrum läuft, um sich im Sommer abzukühlen. Oder beim nahegelegenen Lidl im Einkaufswagen sitzt, wo sich unsere Azubis ihren Pausenproviant holen. Wenn er Praktikant Florian dabei beobachtet, wie er bei einer Dankeschön-Aktion der Geschäftsführung auf dem Smoothie-Bike einen Fruchtdrink erstrampelt. Oder mit Eis am Stil in der Hand zur Social Media-Sommerchallenge aufruft. Aber niemand glaubt, dass die Arbeit im Krankenhaus von morgens bis abends nur Spaß macht. Wenn nicht auch rüberkommt, dass es sich um einen anstrengenden Beruf handelt, fühlt sich der Nachwuchs laut eigener Aussage veräppelt und hält den gesamten Kanalinhalt für unehrlich.
Eine gute Balance finden
Wir empfinden es als große Herausforderung, eine gute Balance zu finden. Denn klagen über den Pflegenotstand tun andere schon genug. Da wollen wir nicht einstimmen bzw. nicht im Marketing, sondern auf konstruktiver, politischer Ebene. Gefakt ist auf unseren Social Media-Kanälen auch nichts. All die schönen Mitarbeiteraktionen, von denen wir dort berichten, finden in unserem Unternehmen wirklich statt. Und es hilft auch unseren Kolleg*innen, bei Laune zu bleiben, wenn sie in den sozialen Netzwerken daran erinnert werden, welche netten Menschen sie hier eigentlich um sich haben und was das Unternehmen alles für sie tut.
Aber wenn dieser neue FSJ-Jahrgang nun angetreten ist, um höchstpersönlich das marode Gesundheitssystem vor dem Niedergang zu retten, von dem in den Nachrichten berichtet wird, müssen wir darauf natürlich eingehen und diese Motivation würdigen. Recruiting funktioniert nur bewerberorientiert. Genau hinhören lautet die Devise. Und vielleicht führt uns unsere TikTok-Zielgruppe da gerade vor, dass wir bei der Nachwuchsgewinnung und im Personalmarketing einen anderen Ton anschlagen müssen: Alles war schlecht – bis Du zu uns kamst!
Fünf Vorteile und eine Herausforderung
Und das sind noch einmal die Vorteile und Herausforderungen unserer TikTok-Strategie zusammengefasst. Fünf Vorteile vs. eine Herausforderung – das zeigt ganz klar, dass es sehr sinnvoll ist, wie wir einen jungen Schauspiel- und Synchron-Profi als Content Creator festanzustellen.
- Keine Kosten für externe Dienstleister
- Keine ständige Suche nach neuen Protagonist*innen
- Kein Schulungsbedarf im Bereich Kameratraining, Videoschnitt, Contentproduktion
- Spontanere Bereitschaft der Fachbereiche für Drehs, wenn sie wissen, das ein Profi kommt
- Hohes Identifikationspotential für die Zielgruppe durch den Wiedererkennungseffekt des „TikTok-Gesichts“
- Hoher Aufwand für die Teamleitung Recruiting (Koordination der Drehs, Chefredaktion für die Inhalte)
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