Ausländische Fachkräfte nachhaltig ans Unternehmen zu binden, fällt nicht leicht. Beispiele aus der Pflege zeigen, wie Integration gelingen kann. Zu diesem Thema ist in der SOZIALwirtschaft 2/2021, Zeitschrift für Sozialmanagement im Nomos Verlag, (Seite 26/27) folgender Artikel von mir erschienen:
Auch wenn die Pandemie die Bemühungen um Fachkräfte aus dem Ausland ausgebremst hat, ist der Trend ungebrochen. Jedes größere Sozial- und Gesundheitsunternehmen beschäftigt inzwischen internationale Mitarbeitende – und ringt darum, sie langfristig zu halten.
Dafür, dass die Anwerbung ausländischer Fachkräfte für Sozial- und Gesundheitsunternehmen einfacher wird, hat die Bundesregierung in letzter Zeit einiges getan. Auch wenn die Hürden immer noch groß sind und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Realität kaum schneller vonstattengeht, hat sich seit der Konzertierten Aktion Pflege doch etwas bewegt. Die Interessenvertretung Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte (BAGAP), die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFA) und das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) wurden gegründet, der Fachkräftegipfel Ende 2019 und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom März 2020 leisteten einen Beitrag.
Doch wie geht es mittelfristig mit den ausländischen Fachkräften in Deutschland weiter, fühlen sie sich wohl und was sind ihre Zukunftspläne? Für unseren Fachratgeber „Betriebliche, soziale und kulturelle Integration ausländischer Pflegekräfte“ (Walhalla Fachverlag, 2020) haben wir eine kleine Umfrage unter 33 Personen dazu durchgeführt: Die Mehrheit (55 Prozent) möchte für immer in Deutschland bleiben. Doch 24 Prozent möchten nur einige Jahre in Deutschland bleiben, 15 Prozent möchten in die Heimat zurückkehren, 6 Prozent in ein anderes Land gehen. Und alarmierende 24 Prozent möchten zu einem anderen Arbeitgeber in Deutschland wechseln. Mit einem optimierten Integrationskonzept können sie diese Zielgruppen auffangen.
Warum die Bindung ausländischer Pflegekräfte bisher oft nicht gelingt
Mit den Gründen, warum Integration oft nicht gelingt, befasst sich die Hans-Böckler-Stiftung in ihrer Studie „Betriebliche Integration von Pflegekräften aus dem Ausland“ (Februar 2019). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mangelndes Durchhalte- und Einfühlungsvermögen seitens der Unternehmen dahinterstecken. Und dass das Thema Integration nicht detailliert genug betrachtet wird. Es gibt so viele Aspekte, die zu bearbeiten sind. Angefangen beim Kulturschock über Rassismuserfahrungen bis hin zu geeigneten Methoden des Teambuildings – um nur einige zu nennen.
[Werbung] Pflegeunternehmen, die ausländische Fachkräfte beschäftigen, müssen sich nicht nur um die Anwerbung kümmern, sondern – viel wichtiger – um die nachhaltige Integration der Arbeitsmigranten in die Teams. Das ist schwieriger als man denkt. Auf vielen Ebenen kann es zu Konflikten kommen. Denn in unterschiedlichen Kulturen gibt es ein unterschiedliches Verständnis von Hierarchie, sprachliche Missverständnisse sind vorprogrammiert und Freunde finden ist nicht so leicht, wie einen Job zu finden. Wie die Integration dennoch gelingen kann, erklären meine Mitautorin Olivia Prauss und ich in unserem Fachratgeber „Betriebliche, kulturelle und soziale Integration ausländischer Pflegekräfte“, Olivia Prauss und Maja Roedenbeck Schäfer, Walhalla Verlag, 2020 (Amazon Affiliate Link).
Mit großem Engagement stürzen sich die Träger oft in ihr Anwerbungsprojekt. Doch wenn die ausländischen Pflegekräfte endlich in Deutschland eingetroffen sind, am Flughafen abgeholt und zu den ersten Ämtergängen begleitet wurden, ist die Puste raus. Man hat das Gefühl, sehr viel getan zu haben, und möchte nun die Erfolge sehen. Häufig erleben wir Unternehmen, die internationale Fachkräfte schon wenige Tage nach der Ankunft Vollzeit im Dienstplan einteilen und große Dankbarkeit erwarten. Ohne zu verstehen, dass die Arbeitsmigranten ebenfalls einen gefühlten Marathon hinter und vor sich haben. Das Integrationsprogramm bleibt ein bunter Strauß an Ideen, die nach Bauchgefühl und je nachdem, ob jemand Zeit, umgesetzt werden.
4 Tipps, wie Sie Integration besser machen können
- Machen Sie sich klar, dass zur Integration betriebliche, soziale und kulturelle Aspekte gehören. Erst wenn die internationalen Mitarbeitenden Hobbies und Freunde gefunden haben, sich in ihrer Wohnsituation wohlfühlen, mit der deutschen Sprache klarkommen, die deutsche Kultur verstehen, ihre Karriereziele erreicht haben, fachlich für ihre Aufgaben gewappnet sind, sich unter den Kollegen nicht mehr als Außenseiter fühlen, ihre Familie gut versorgt wissen, sind sie wirklich integriert.
- Machen Sie die Integration zur Managementaufgabe. Oft sind es die Führungskräfte, die nach Asien reisen, um die neuen Mitarbeitenden auszuwählen. Doch die Integrationsaufgaben werden den Teams überlassen. Mehr als ein Willkommensgeschenk und punktuelles rühriges Engagement wie eine Einladung zum Essen kommen dabei nicht heraus. Es ist Aufgabe der Führungskräfte zu definieren, wie die Integration ablaufen soll, Materialien zu entwickeln und die flächendeckende Durchführung der Maßnahmen zu überwachen.
- Erarbeiten Sie ein professionelles, schriftlich festgehaltenes Integrationskonzept. Es besteht aus den Onboarding-, Mitarbeiterbindungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen, die Sie auch für einheimische Mitarbeitende vorgesehen haben. Ergänzen Sie es durch ein Maßnahmenpaket für internationale Mitarbeitende. Zu jeder Maßnahme werden verantwortliche Personen, Kosten, Durchführungszeiträume und Ziele hinterlegt und der Status Quo für jede internationale Fachkraft dokumentiert. Regelmäßig evaluieren Sie das Integrationskonzept und entwickeln es weiter.
- Netzwerken Sie mit anderen Unternehmen und besuchen Sie Veranstaltungen zu dem Thema, tauschen Sie Ideen aus und organisieren Sie Integrationsworkshops. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitenden, dass Integration von zwei Seiten ausgeht. Einheimische und ausländische Fachkräfte müssen sich aufeinander zu bewegen. Grundlegend dafür ist die ausführliche Beschäftigung mit dem Thema Kultur. Wie beeinflusst die Kultur, in der ich lebe, mein Verhalten und meine Bedürfnisse? Wo genau liegen die Konfliktherde, wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen?
Wie lange dauert es, bis man von gelungener Integration sprechen kann?
Im Haus der Generationen im Bayerischen Wolnzach, einer vollstationären Altenpflege-Einrichtung mit 125 Betten, haben weder die Bewohner noch die Teams Berührungsängste gegenüber ausländischen Mitarbeitenden. Kommt doch ein Drittel der Pflegekräfte und Auszubildenden aus Madagaskar, vom Westbalkan oder aus Tunesien. Inhaber Andreas Röhrich erzählt: „Woran ich erkenne, dass ein ausländischer Mitarbeiter hier endgültig angekommen ist: Wenn er anfängt, Bayerisch zu sprechen! Unsere Bewohner sprechen teils einen sehr starken Dialekt. Ein Madagasse hat im Goethe Institut natürlich ein anderes Deutsch gelernt. Aber wenn er bereit ist, sich sprachlich anzupassen und wirklich auf die Menschen und die Region hier einzulassen, dann zeigt mir das: Er lebt und arbeitet gerne hier. Und das ist das Ziel!“
Ulrike Queitsch, Referentin der Geschäftsführung bei der Agaplesion Bethanien Diakonie, berichtet: „Dass unsere ausländischen Fachkräfte wirklich in Deutschland angekommen sind, merke ich in kleinen Momenten. Es gab eine lustige Situation, da habe ich eine Philippinerin an unserem Standort in Hamburg besucht. Sie aß gerade asiatischen Reis mit deutscher Bratwurst. Sie hat einfach beide Kulturen gemixt!“
Auch unsere Umfrage brachte aufschlussreiche Ergebnisse. Wir haben ausländische Pflegekräfte gefragt, wie lange es gedauert hat, bis sie sich wirklich in Deutschland angekommen fühlten. Die Mehrheit brauchte lange (über ein Jahr, 30 Prozent), um sich angekommen zu fühlen. Oder ist immer noch nicht soweit (30 Prozent). 15 Prozent der Befragten brauchten bis zu einem Jahr. 24 Prozent nur ein halbes Jahr, bis sich Deutschland wie eine neue Heimat anfühlte. Spannend wäre, in einer tiefergehenden Umfrage herauszufinden, ob mehr Integrationsmaßnahmen zu einer schnelleren Eingewöhnung führen. Wir sehen aber, dass Menschen unterschiedlich lange brauchen, um sich einzuleben, und dass Integrationsprogramme dieses individuelle Tempo berücksichtigen sollten.
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