„Es gibt nur einen Marc Raschke!“ So hörte ich es kürzlich aus der Chefetage einer Krankenhausgruppe seufzen.

In der Tat kann man als Player im Sozial- und Gesundheitswesen neidisch werden, wenn man die Auszeichnungen sieht, die es für die Arbeit des Leiters Unternehmenskommunikation im Klinikum Dortmund regnet: „Deutschlands beste Klinik Website“, „Pressestelle des Jahres“ und einige mehr. Für meinen Blog vor allem interessant: Raschke hat auch das Personalmarketing für das Klinikum Dortmund aufgebaut – und auch dafür gab es einen Preis: den HR Award 2018 in Silber. Man kann sich natürlich fragen, ob es in der Unternehmenskommunikation nur um Preise gehen sollte, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Manchmal braucht man sie einfach, um den eigenen Reihen zu beweisen, dass die Ideen, die man hat, so schlecht nicht sind. Damit man sein Unternehmen oder seine Organisation weiter voranbringen „darf“.

Personalmarketing Projekte am Klinikum Dortmund

Schauen wir uns erstmal ein paar der innovativen Maßnahmen des Klinikums Dortmund genauer an.

Die Gamechanger Videos

Filme über Menschen, die soziale Berufe ausüben, gibt es wie Sand am Meer und es ist nicht leicht, sich da aus der Masse hervorzuheben. Das Klinikum Dortmund versucht es erfolgreich mit sieben Videos à 1.30min. im Gaming/Let’s Play-Style, die seit etwa zwei Monaten online sind und in dieser Zeit zwischen 100 (Ausbildung Elektroniker) und 1.000 (Ausbildung Operationstechnischer Assistent) Videoaufrufe gesammelt haben. Die Kamera folgt zum Beispiel einer Operationstechnischen Assistentin durch die Krankenhausflure. Dabei ist à la Tombraider immer ihr Hinterkopf zu sehen und der Zuschauer bekommt das Gefühl, ihr durch die Gänge zu folgen und alles mitzuerleben. Als Hintergrundgeräusch läuft ein typischer Spiele-Soundtrack einschließlich gelegentlicher „Plings“, wenn die Protagonistin eine Aufgabe erledigt hat, die im „Questlog“ auf der rechten Seite eingeblendet ist.  Links unten im Video sieht man außerdem einen Gebäudeplan, so wie ihn der Gamer sieht, wenn er sich durch eine virtuelle Welt bewegt. Nicht zuletzt bekommt die OTA noch Charakterwerte wie „Magie: 20%“ oder „Emotionale Stärke: 80%“ attestiert. Das hat man so im Sozial- und Gesundheitswesen tatsächlich noch nicht gesehen.


Das Video wird von Youtube eingebettet. Bitte vor dem Abspielen die Datenschutzhinweise unter Punkt "Plugins und Tools" beachten.

 

Schaut man sich die anderen Videos im Youtube-Kanal des Klinikums Dortmund an, fällt auf, dass der Leiter der Unternehmenskommunikation selbst  häufig darin zu sehen ist. Dazu gibt es den passenden Trend: Man spricht von einem „Corporate Anchor“ (ungefähr: unternehmenseigener Starmoderator), wenn ein Kommunikationsprofi (zusätzlich zum Geschäftsführer) sein Gesicht regelmäßig für ein Unternehmen in die Kamera hält. Für die Nutzer*innen, die heutzutage online mit Informationen und Bildern nur so überschüttet werden, dient er als Wegweiser und Orientierungshilfe, als Wiedererkennungsfaktor, der mit der Marke eng verbunden ist – wie etwa ein “Wetten, dass… ?”-Moderator.

Die WhatsApp-Academy

Das Klinikum Dortmund bietet verschiedene WhatsApp Gruppen für die Zielgruppen Schüler, Studierende und Medizininteressierte an. Wer sich für die Gruppe eintragen lässt, bekommt über den Gruppenchat Nachrichten aus dem Arbeitsalltag in der Klinik – Mitarbeitende wechseln sich damit ab.

Die Berufsorientierungs-App: Jinder – der JobFinder

Jinder ist eine eigene App, die man sich aus dem Google Playstore oder Apple AppStore herunterladen kann. Sodann beantwortet man in der App 12 Fragen im Tinder/Truffls-Stil, also indem man das Fragenkärtchen für ein „Nein“ nach links und für ein „Ja“ nach rechts wischt. Im Grund funktioniert es so ähnlich wie ein Berufomat, nur eben als App. Nach den 12 Fragen wird eine Liste aller Ausbildungsberufe ausgespuckt, die man im Klinikum Dortmund lernen kann. Dahinter steht jeweils die Prozentzahl, wie gut die Ausbildung zu einem passt. Die App wurde bisher 100+ mal heruntergeladen. Die Fragen hätte man möglicherweise etwas mehr an die Perspektive der jugendlichen Lebenswelt anpassen können. Statt „Bist du interessiert am Aufbereiten von Datensätzen?“ vielleicht: „Bist du jemand, der gerne Listen führt – Einkaufslisten, To Do Listen, Urlaubspacklisten?“. Doch das sind Kleinigkeiten , denn solche spielerischen, digitalen Hilfsmittel bei der Berufswahl lassen sich auf jeden Fall zum Beispiel auf Berufemessen gut einsetzen – zumindest haben wir bei der Diakonie dieselbe Erfahrung mit unserer Teste dich-App gemacht. Für mich kommt jedenfalls am Ende bei Jinder heraus, dass ich der geborene Lagerlogistiker wäre. Interessenabdeckung 100%!

Der klinikeigene Musik Track

Im Filmprojekt „Rhythmus von Teamplay: Wenn aus OP-Geräuschen Musik wird“ des Klinikums Dortmund geht es darum, aus Alltäglichkeiten im Klinikalltag Kunst zu machen und dadurch die Aufmerksamkeit zu gewinnen.


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„Wir haben uns für das Marketing einen eigenen Programmierer ins Haus geholt“

Nachdem wir uns nun ausführlich im Personalmarketing-Universum des Klinikums Dortmund umgesehen haben, lassen wir Marc Raschke selbst zu Wort kommen. Anfang April habe ich für euch mit ihm telefoniert, um den Kopf hinter so viel Innovation kennenzulernen. Raschke ist studierter Sozialwissenschaftler und volontierter Journalist (u.a. mit Schwerpunkt Medizin) und parallel zu seiner Tätigkeit im Klinikum Dortmund selbstständiger Berater in der Krankenhausbranche.

[WERBUNG] Arbeitgeber, die gutes Personalmarketing machen, sind nicht unbedingt riesengroß oder milliardenschwer. “Auch wir haben keinen Riesenetat für große Kampagnen übrig”, sagt Marc Raschke unten im Interview. In „Professionelles Personalmarketing“ von Bernd Konschak (Haufe Verlag, 2014; Amazon Affiliate Link) lesen Sie mehr über die verschiedenen Instrumente des Personalmarketings und darüber wie auch kleine und mittelständische Unternehmen Offline- und Online-Aktivitäten wirkungsvoll verzahnen.

Was ist gute Kommunikation? Was ist gutes Personalmarketing?

Ich unterscheide nicht zwischen Kommunikation und Personalmarketing. Ich würde zum Beispiel auch keine verschiedenen Facebook-Kanäle für Karrierethemen und die allgemeine Unternehmenskommunikation betreiben. Geschichten finden und erzählen, das ist Kommunikation. Kommunikation ist ein Grundrauschen, es spielt alles ineinander. Wenn man einen Bewerber beim Vorstellungsgespräch fragt: „Wie bist du auf uns aufmerksam geworden?“, kann er sich ja meist auch nicht mehr wirklich erinnern, ob es ein Facebook-Posting, ein Pressebeitrag oder doch eine Personalmarketing-Aktion war. Wenn ich Personalmarketing mache, stelle ich mir vor, ich stehe auf einer Party in der Küche. Ich will nicht derjenige sein, der den anderen die ganze Zeit etwas aufschwätzt, denn der nervt. Ich bin derjenige, der sich dazu stellt, mit den anderen ins Gespräch kommt und nebenbei seine Botschaften platziert.

Welche Kanäle bespielen Sie für das Klinikum Dortmund?

Ich glaube an den Multichannel-Ansatz. Wir bespielen Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat, Youtube, Whatsapp und ein bisschen Jodel. Bei Snapchat ist es eher eine kleine, feine Community, aber ich finde trotzdem, dass man sich solche Kanäle anschauen muss, um zu verstehen, wie die junge Zielgruppe tickt. Sie steht schließlich in vier Jahren auf der Matte und will sich bewerben. Und Snapchat ist ein Steinbruch für gute Ideen, weshalb ja auch Instagram & Co. in der Vergangenheit brutalst von Snapchat abgekupfert haben. Aber der Vorteil der sozialen Kanäle ist eben, dass ich dort eins zu eins meine Botschaften veröffentlichen kann. Wenn ich etwas auf Instagram poste, ruft eine Stunde später die Lokalzeitung an und sagt: Tolle Aktion, können wir da was drüber schreiben? Im Übrigen wirkt die Social Media Kommunikation nicht nur nach außen. Auch unsere eigenen Mitarbeitenden schauen auf Facebook, Instagram & Co., um zu erfahren, was im Haus läuft. Im Falle eines Shitstorms ist eine solche gut funktionierende Community wichtig, dann springen einem die Fans der Unternehmensseite sofort bei.

Was ist Ihr aktuelles Lieblingsprojekt für das Klinikum Dortmund?

Wir hatten ein Fotoshooting für eine Mitarbeiterkampagne, auf der die Desinfektionsmittelflasche wie ein Parfümflakon inszeniert ist (siehe Beitragsfoto oben, Copyright: Klinikum Dortmund). Die Mitarbeiter sind für die Schwarzweißmotive zurechtgemacht als wären sie Models für eine Parfümkampagne.  Die Inszenierungen hatten dann im fertigen Anzeige-Motiv Headlines wie „Klinikumdo No. 5“, „L’Eau de KlinikumDo“ oder „KlinikumDo Bottled”. Mit der Kampagne haben wir mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Wir haben über Handhygiene aufgeklärt, wir haben den Lokalmedien wieder einen Anlass zur Berichterstattung gegeben, wir haben unsere Mitarbeitenden und damit die Mitarbeiterorientierung des Klinikums Dortmund als Arbeitgeber in den Vordergrund gestellt und gezeigt, dass wir Humor haben, indem wir den Duft als „Lockstoff“ genutzt haben: Wer auch so riechen will, muss bei uns anfangen. Ansonsten finde ich es toll, dass wir in der Kommunikation eigentlich auf jedes Zeitgeist-Thema aufspringen können: Digitalisierung zum Beispiel ist kein reines EDV-Thema, sondern sie betrifft die Arzt-Patienten-Beziehung genauso wie die Arbeitgeber-Bewerber-Beziehung. Und überall können wir uns als Kommunikationsprofis mit Apps und neuen digitalen Kanälen dazwischenschalten.

Welche Bedingungen braucht gutes Personalmarketing?

Es braucht eine Geschäftsführung, die hinter der Unternehmenskommunikation steht. Ich habe mit unserem Geschäftsführer wirklich einen Glücksgriff getan. Er fing gleichzeitig mit mir im Klinikum Dortmund an und ließ mir freie Hand, weil er selbst ganz andere Baustellen zu bedienen hatte: Das Haus stand 2013, als wir beide dort anfingen, kurz vor der Insolvenz. Ich hätte mich übrigens geweigert, die Unternehmenskommunikation als AG aufzuziehen, an der Vertreter aus allen Abteilungen beteiligt sind; das wird ja in einigen Häusern so gehandhabt, zumindest projektweise. Da werden dann Arbeitsgruppen aus sämtlichen Fachbereichen gebildet, um z.B. eine Personalkampagne zu planen; was ja quasi ein Schlag ins Gesicht der Personalmarketing-Leute ist. Wenn ein Herzchirurg umgekehrt eine neue Methode zur Implantation einer Herzklappe einführt, ruft er ja auch nicht vorher alle Berufsgruppen eines Klinikums zusammen und diskutiert mit diesen Fachfremden über seine Profession. Zudem: Bei 4.500 Mitarbeitenden steht eh nicht immer jeder hinter jeder Marketingaktion. Und es gibt natürlich auch Neider, wenn wir z.B. mit einem Award wieder einmal im Mittelpunkt stehen. Doch genauso wenig wie ich dem Herzchirurgen in seine Arbeit hereinrede, möchte ich mir in meine hereinreden lassen.

Wie viele Köpfe stecken hinter den aufwändigen Kommunikationsmaßnahmen fürs Klinikum Dortmund?

Wir machen grundsätzlich alles selbst. Neben mir, dem Leiter Unternehmenskommunikation, gibt es eine Vollzeit-Kollegin, eine Volontärin und einen Programmierer. Ja, wir haben uns tatsächlich einen Programmierer ins Team geholt. Man bedenke nur, wieviel Geld Agenturen für die Entwicklung einer Karriere-Webseite oder einer App verlangen – das können wir besser und effektiver. Auch wir haben keinen Riesenetat für große Kampagnen übrig. Ansonsten ist mein Ansatz, dass jeder meiner Mitarbeitenden sich selbst mit den Kanälen beschäftigen muss, die er beruflich einsetzt. Jeder im Team muss Social Media können, das kann nicht nur auf den Schultern eines einzigen Social Media Managers ruhen. Und auch nicht automatisch auf den Schultern des jüngsten Mitarbeitenden. Nur weil man jung ist und einen Kanal kennt oder viele Youtube-Filme guckt, kann man noch nicht automatisch die Social Media professionell befüllen.

[WERBUNG] Das Buch “Personalmarketing, Employer Branding und Mitarbeiterbindung” von Uwe Peter Kanning (Springer Verlag, 2016; Amazon Affiliate Link) betrachtet die titelgebenden HR-Handlungsfelder aus der Perspektive der Personalpsychologie: Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus der aktuellen Forschung sowie der angewandten Personalpsychologie ableiten?

Wie evaluieren Sie Ihre Personalmarketing-Aktivitäten? Steigern sie wirklich messbar die Bewerberzahlen?

Natürlich könnte man Konversionsraten messen, aber ich glaube nicht, dass man den Erfolg 1:1 in Zahlen belegen kann. Es braucht ein Dauerfeuer, ich bin jemand, der ständig auf der Suche nach neuen Ideen ist. Employer Branding ist ein Mosaik aus vielen Einzelmaßnahmen. Nicht jede Idee ist ein Mega-Erfolg, aber das ist auch okay so.

Bekommen Sie eigentlich viele Jobangebote von anderen Krankenhäusern?

Natürlich schaut die Konkurrenz auf das, was wir machen. Die Krankenhausbranche ist gegenüber anderen Branchen immer noch im Hintertreffen, was die Kommunikation angeht. Es kommt durchaus immer noch vor, dass auf Kongressen die Frage diskutiert wird: „Machen Social Media für das Krankenhaus Sinn?“ Da denke ich mir nur: „Schlaft weiter!“ Aber eines kann ich sicher sagen in Sachen Job-Angebote: Ich würde nie zu den privaten Kliniken gehen. Das Klinikum Dortmund ist in kommunaler Trägerschaft und es ist mir auch wichtig, dass mein Arbeitgeber mit der Gesundheit von Menschen nicht an der Börse handelt.

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