Alle Jahre wieder freuen wir vom Recruiting Team der DRK Kliniken Berlin uns auf unser Lieblings-HR-Event. Das Embrace Festival auf dem TEC Event Campus in Berlin-Siemensstadt! Auch diesmal waren wir wieder dabei und haben uns Input u.a. zu den Themen Barrierefreiheit auf Karriereseiten, Skills First Hiring, Silver Workforce und „Der tote Winkel der Arbeitgeberbewertung“ geholt. Künstliche Intelligenz (KI) kam wie in den vergangenen Jahren natürlich auch viel vor, wird aber endlich konkreter und greifbarer für den Recruiteralltag.

So hat z.B. d.vinci ein KI-Tool in sein HR Software-Paket eingebaut, das in wenigen Minuten kleine Karriereseiten oder Landing Pages mit Texten und Inhalten im Stil der Unternehmenswebsite erstellen kann. Generative Engine Optimization (GEO) löse Suchmaschinenoptimierung (SEO) bei der Konzeption von (Karriere-)Websites ab, erklärten Projektmanager Adrian von d.vinci und Robindro Ullah von Trendence übereinstimmend. Will heißen: Bewerber*innen nutzen zunehmend KI, um sich über Arbeitgeber*innen zu informieren. Darum müssen die Karriereportale nun so optimiert werden, dass sie von ChatGPT und Co. als Quelle herangezogen werden. Aber kurz nochmal zurück zum Anfang.

Von der meistgesuchten Berufsgruppe zur vergessenen Disziplin

„Vor drei Jahren waren Recruiter die meistgesuchte Berufsgruppe in Deutschland“, sagte Veranstalter Gero Hesse in seiner Eröffnungs-Keynote beim Embrace Festival 2025. Doch heute, in einer Welt, die von Trump, Musk, Putin und Konsorten ins Chaos gestürzt wird, in der die Wirtschaft schwächelt, allgemeine Verunsicherung herrscht und Sparkurse gefahren, stünden andere Themen im Fokus. Für die Schwierigkeiten der Fachkräftegewinnung interessiere sich niemand mehr. Aber ist das nun unbedingt schlecht oder hat das nicht auch Vorteile?

Ich sehe Chancen darin, dass sich die öffentliche Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwendet. Auch wenn ich mir natürlich wünschte, es müsste kein Krieg sein. Denn den Begriff Fachkräftemangel konnte doch irgendwann echt niemand mehr hören. Er war so allgegenwärtig, dass sogar ich als leidenschaftliche Recruitingstrategin eine innere Abwehrhaltung entwickelte und Anfang des Jahres erstmal ein Sabbatical einschieben musste. Wie muss es dann erst den Bewerber*innen ergangen sein, die von morgens bis abends auch in ihrem privaten Umfeld auf Instagram oder TikTok mit Personalmarketing bombardiert wurden?

Wieder mehr Lust auf die Suche nach dem passenden Arbeitgeber?

Als neue*r Mitarbeitende*r ständig überall der Retter der Arbeitswelt sein zu müssen, erzeugt einen unschönen Druck. Im Umkehrschluss heißt das: Vielleicht erholen sich die Bewerber*innen mit etwas Abstand zum Thema Fachkräftemangel ja jetzt langsam. Vielleicht bekommen sie wieder mehr Lust auf Karriere und Selbstverwirklichung. Auf die Suche nach dem perfekt zu ihnen passenden Arbeitgeber. Oder der perfekt zu ihnen passenden Arbeitsform (z.B. langfristiges Arbeiten aus dem Ausland, ohne das Unternehmen zu verlassen – rechtssicher und unkompliziert organisiert von remote.com).

Der Vortrag „Workforce Transformation“ der Managementberatung undconsorten machte zusätzlich Hoffnung. Ghosting (das zeitweise 44% der kontaktierten Bewerber*innen betroffen habe) nehme vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krisen ab. Bescheidenheit kehre in die Vorstellungsgespräche zurück. Vielleicht brechen GERADE durch die Unruhe in der Welt wieder bessere Zeiten für uns Recruiter*innen an? Gero Hesse prognostizierte, dass mit wiederbelebter Wirtschaft auch das Thema Recruiting wieder an Aufmerksamkeit gewinnen werde.

Dann aber mit neuen Anforderungen. Trends entwickeln sich immer seltener langfristig in dieselbe Richtung, sondern sind gegenläufig oder ändern mal eben die Richtung – wie eine Achterbahn. KI macht bestimmte Jobs überflüssig, schafft aber gleichzeitig neue Tätigkeitsprofile. Es herrschen gleichzeitig Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit. Wer soll sich da noch zurechtfinden?

Recruiting als konjunkturelles Geschäft

Für das Recruiting als „konjunkturelles Geschäft“ heißt das jedenfalls: flexibel sein, kurzfristig auf Veränderungen reagieren. Strategische Personalbedarfsplanung müsse szenarienbasiert gedacht werden, so Jens Müller-Oerlinghausen von undconsorten. Prognosen (auch KI-gestützte) seien immer nur Prognosen. Niemand wisse, ob sie wirklich eintreffen. Darum müsste verschiedene mögliche Varianten angedacht und mit Lösungsansätzen versehen werden.

Nicht zuletzt warf der Experte die Frage auf: „Ist Recruiting überhaupt noch die Lösung? Anstatt zu fragen: ‚Angele ich richtig?‘ (nach dem idealen Mitarbeitenden im Pool der Talente) sollte ich mir die Frage stellen: ‚Sollte ich überhaupt noch angeln? Oder sollte ich lieber, statt eine neue Stelle zu schaffen, für die es sowieso keine Bewerbungen geben wird, gleich in eine KI Lösung investieren? Statt auf Bewerbungen von A-Kandidat*innen zu hoffen, B- und C-Zielgruppen einstellen und Upskilling (Fort- und Weiterbildung) vom ersten Tag an zur neuen Realität zu erklären?“ Echt eine sehr gute Frage.

Rückbesinnung auf das Skills First Hiring

Wenn die gewünschten formalen Qualifikationen (Berufsabschlüsse) nicht mehr vorliegen und laut undconsorten 84% der Recruiter*innen sagen, das Hauptproblem bei den Bewerber*innen von heute seien fehlende Kompetenzen, rückt ein Thema wieder in den Mittelpunkt, das schon seit Jahrzehnten diskutiert wird: das kompetenzorientierte Personalmanagement. Skills First Hiring nennt man das heute. Ute Neher von Indeed brach auf dem Embrace Festival 2025 eine Lanze dafür, diesen Ansatz noch einmal auf die Agenda zu nehmen.

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Erstens hätten wir durch den aktuellen Stand der Technologie heute überhaupt erst die Möglichkeiten, die Kompetenzen von Mitarbeitenden im Recruiting zu erfassen, in der digitalen Personalakte fortzuschreiben und für die Personalentwicklung auszuwerten. Außerdem könne man das Thema jetzt weiterdenken und z.B. Vergütungsstrukturen nicht nur mit formalen Qualifikationen, sondern auch mit Kompetenzen hinterlegen. „Skills First Recruiting machen und die Bewerber*innen dann in eine veraltete Job- und Vergütungsstruktur hineinpressen (also schlechtere Bezahlung, weil ja die formale Qualifikation fehlt), funktioniert allerdings nicht“, so Neher. „Das wird dann nichts mit der Retention (Mitarbeiterbindung).“

Immer weniger Arbeitgeber achten auf formale Qualifikationen

Unbeantwortet blieb allerdings die Frage, wie die Skills-basierte Personalgewinnung und -entwicklung ganz konkret funktionieren soll. Wie sollen denn Kompetenzen jenseits von formalen Berufs- und Weiterbildungsabschlüssen nachgewiesen werden? Was steht dann genau in der Personalakte? Laut einer Indeed Studie aus dem Jahr 2024, die Neher zitierte, legten die weit über 1.000 befragten Arbeitgeber*innen insbesondere Wert auf die Fähigkeit, gut mit unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten (90%), die Fähigkeit, kritisch zu denken und Probleme zu lösen (90%), und die Fähigkeit, sich schnell in neue Aufgaben einzuarbeiten (89%). Aber würde es wirklich helfen, wenn eine KI-gestützte Lösung aus der digitalen Personalakte auszulesen versuchte, ob jemand führungsstark ist? Und wenn ich eine*n neue*n Teamleiter*in suche, mir unabhängig von der formalen Qualifikation zehn Personen vorschlägt, auf die dieses Attribut vermeintlich zutrifft? Hm.

Laut der Indeed Umfrage achten jedenfalls nur noch 57% der Arbeitgeber*innen bei der Bewerberauswahl auf die formale Qualifikation. 70% der Jobsuchenden und 62% der Arbeitgeber*innen sagen, dass sie eher eine Person einstellen würden, die Berufserfahrung, aber keinen Berufsabschluss in einem gewünschten Bereich mitbringt, als eine Person, die den gewünschten Berufsabschluss hat, aber frisch von der Uni oder aus der Ausbildung kommt. Die Vorteile des Skills First Hiring:

  • 23% höherer Return on Investment bei Recruitingkampagnen (durch mehr Einstellungen)
  • 28% mehr geeignete Kandidat*innen (durch eine Öffnung der Suchkriterien)
  • 64% verbesserte Vielfalt in den Teams (durch Einstellung von Mitarbeitenden mit verschiedenen Kompetenz- und Qualifikationshintergründen)

Altersdiversität bei der Deutschen Bahn

Obwohl nicht alle Fragen beantwortet wurden und die Vorträge oft an der Oberfläche blieben, fand ich es super, dass beim Embrace Festival 2025 im Gegensatz zu den Vorjahren mehr solcher bodenständigen Themen dabei waren. 2024 war es fast nur um HR Tech als Heilsbringer gegangen. 535 digitale HR Tools in den Bereichen Recruiting, Retention, HR Admin hat Gero Hesse aktuell auf dem Markt gezählt (das Investment in solche Tools sei allerdings um 23% zurückgegangen). Als Recruiter*in hatte man den Eindruck gewonnen, wenn man nicht von morgens bis abends Daten analysiert und mit KI herumdoktert, obwohl sie damals noch gar nicht so weit war, z.B. schöne Stellenanzeigen zu texten, könne man gleich einpacken.

In diesem Jahr bewies unter anderem die Deutsche Bahn, die pro Jahr immerhin 20.000 bis 30.000 Stellen neu besetzt, dass eine erfolgreiche Recruitingstrategie manchmal viel unspektakulärer ist: Der Konzern setzt auf die Silver Workforce, also Menschen über 50, die laut altersdiskriminierung.de um 48% seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, und (Früh-)Rentner*innen, die arbeiten möchten, weil ihnen im Ruhestand langweilig geworden ist – oder weil das Geld nicht reicht.

Awarenessschulungen überzeugen Skeptiker*innen

Ich fand es beeindruckend, wie umfassend das Recruiting Team der Deutschen Bahn dieses Thema durchdacht hat. Zum einen gab es eine Liste mit Argumenten und 17 Awareness Schulungen, um interne Skeptiker*innen und Hiring Manager*innen (also einstellende Führungskräfte) zu überzeugen. „Alte“ machen demnach laut einer zitierten Studie der Universität Genf 37% der arbeitsfähigen Bevölkerung aus, 40% davon sind wechselwillig. 75% schätzen sich als genauso produktiv wie vor 10 bis 15 Jahren ein, 50% interessieren sich dafür, sich weiterzubilden, um neue Aufgaben übernehmen zu können.

Ältere Mitarbeitende bei der Deutschen Bahn gaben in qualitativen Interviews an, dass sie Sicherheit und Wertschätzung ihrer Berufserfahrung suchen, Teilzeit Jobs und Autonomie. Und damit ist nicht die Autonomie als Führungskraft gemeint, sondern eine Tätigkeit, in der man weitgehend alleine schalten und walten kann: als Busfahrer*in oder Schaffner*in zum Beispiel. Und davon hat die Deutsche Bahn ja jede Menge im Angebot.

300 Jobs für die Silver Workforce

Am Ende wurden 300 Jobs speziell für die Zielgruppe Silver Workforce ausgeschrieben und auch mit solchen Personen besetzt, die Bewerbungen von Menschen im Alter von 50+ wurden um 9% gesteigert, 13% von ihnen landeten in der engeren Auswahl. Das hat die Deutsche Bahn erreicht, indem z.B. schon im Briefing zur Stellenausschreibung mit den Führungskräften besprochen wurde, dass ältere Personen eine Zielgruppe sein könnten. Indem ältere Bewerber*innen im Bewerbersystem markiert wurden – nicht, um sie auszugrenzen, sondern um sie besonders wohlwollend zu prüfen. Indem Personalmarketingplakate mit älteren Protagonist*innen und passenden Sprüchen („Im Alter genug Geld haben“) aufgehängt wurden. Auch wenn Silver Worker durchaus auch online zu erreichen seien, hätten die Printanzeigen in Zeitschriften wie Hörzu und Bild der Frau sehr gut funktioniert, so die Erkenntnis der Deutschen Bahn.

Auch arbeitsrechtliche Fragen mussten geklärt werden (so müssen Rentner*innen immer befristet eingestellt werden, damit sie nicht bis zum Tod arbeiten müssen). In der Stellenbörse wurde eine Filterfunktion für Jobs in der Rente und Frührente eingebaut. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit wurden Bewerberevents für ältere Kandidat*innen organisiert. Role Models wurden dabei mit Interessent*innen zusammengebracht. Die Stimmung bei diesen Veranstaltungen sei super gewesen, sagte Franziska Manck, Head of Talent Acquisition bei der Deutschen Bahn, beim Embrace Festival 2025. „Diese Leute haben wirklich Lust zu arbeiten!“ Ihr Tipp für Unternehmen, die ältere Bewerberzielgruppen in Betracht ziehen wollen, lautet: „Ein wichtiger erster Schritt ist es, diese Zielgruppe im Bewerberpool sichtbar zu machen, damit die Hiring Manager*innen sie als Teil der Arbeitnehmerwelt begreifen.“ Jeder ältere Kandidat, der zum Vorstellungsgespräch eingeladen werde und die Führungskräfte positiv überrasche, trage dazu bei, auch wenn er am Ende nicht eingestellt werde.

80er Jahr Party? HR Kongress!

Der Regen über Berlin-Siemensstadt hörte noch am Vormittag auf – zum Glück, denn die Hälfte des Embrace Festivals findet auf dem Außengelände statt. Essen gab es wie gewohnt aus den Food Trucks: Coq au Vin und Kartoffel-Karotten-Bowl mit Feta. Zum Nachtisch Craft Eis und „Muffles“ (Waffeln aus Muffinteig). Passend zum Achtzigerjahre-Motto „Brave New World“ war auch Doc Brown aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ mit seinem Delorian am Start. Auch damals, so wurden die Teilnehmer*innen erinnert, gab es schonmal eine Zeit, in der neue Technologien den Menschen Furcht einflößten. Das Learning? Bitte kein naiver Fortschrittsglauben, aber auch nicht alle neuen Entwicklungen verteufeln!

Ein bisschen anstrengend ist das Embrace Festival auch immer. Die Vortragenden überbieten sich gegenseitig mit verrückten Vortragstiteln, bei denen man manchmal sehr um die Ecke denken muss, um zu verstehen, worum es gehen soll: „Become a futurist“, „Mit KI zum supercharged employee“, „Brave enough to include?“, „Come and say hAI“ oder „Too slow to grow“, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Die Slots gehen nahtlos ineinander über, sodass man ständig zu spät kommt oder früher gehen muss. Manche Vortragsbühnen befinden sich mitten im offenen Messebereich. Nur mit Kopfhörern kann man überhaupt etwas verstehen, den Trubel trotzdem nicht ganz ausblenden. Zumindest bleibt man dadurch wach und döst nicht wie bei anderen Kongressen vor sich hin.

Weitere Trends vom Embrace Festival 2025

Produktmanager Adrian von d.vinci wies beim Embrace Festival 2025 noch einmal darauf hin, wie häufig das Bewerberinteresse abbricht, weil die Qualität von Karriereseiten oder Landing Pages gegenüber der Qualität von Employer Branding-Plakaten oder Social Media-Personalmarketinganzeigen stark abfällt. Plakat und Anzeige sind cool und modern, die Karriereseite langweilig und schlecht konsumierbar (zu viele Klicks bis zur Bewerbungsmöglichkeit, zu viele unnötige Inhalte drumherum). Letztendlich entscheidet aber die Karriereseite und nicht das Plakat, ob sich jemand bewirbt, genau wie der Onlineshop entscheidet, ob ich den Schuh kaufe, der mir in einer Insta-Anzeige gefallen hat.

Die wichtigsten Tipps, um die Conversion Rate zu steigern:

  • Die Storyline darf nicht abreißen! Man sollte daher nicht einfach auf die Unternehmenswebsite, die Startseite des Karriereportals oder eine altmodische Stellenanzeige verlinken, sondern auf eine Landing Page, die zur Kampagne passt.
  • Das Key Visual aus der Anzeige/dem Plakat muss auf den ersten Blick auf der verlinkten Website zu sehen sein.
  • Die verlinkte Website muss technisch perfekt sein: Suchmaschinenoptimierung (SEO), Generative Engine Optimierung (GEO) und Performance müssen stimmen, Barrierefreiheit, Design- und Mobiloptimierung gegeben sein, die Website muss individuell zur Zielgruppe, die in der Werbeanzeige angesprochen wird, passen. Nutzerfreundlichkeit (Usability) ermöglicht im Idealfall eine gute Konsumierbarkeit der Seite.
  • Und nicht zuletzt sollten die Erkenntnisse aus dem Bewerbungsprozess (warum passt der eine Bewerber, warum kommt es bei einem anderen nicht nur Einstellung) wieder an den Anfang des Prozesses zurück getragen und in der Stellenanzeige oder auf der Karrierewebsite verarbeitet werden. Nur so kann man sich verbessern und die Conversion steigern.

Genau aus diesem Grund hat d.vinci seinen eingangs bereits erwähnten KI-Agenten programmiert, der Karriereseiten oder Landing Pages erstellen kann und dabei die Erfahrungen aus früheren Bewerbungsprozessen und die Bewerberansprache des Unternehmens in anderen Kanälen berücksichtigt.

Karriereseiten statt Barriereseiten

Das Thema Barrierefreiheit klang im Vortrag von d.vinci bereits an, Henner Knabenreich von personalmarketing2null.de und der Karriereseiten-Manufaktur führte es auf dem Embrace Festival 2025 noch einmal genauer aus. Nicht erst aus dem neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und dem European Accessibility Act (EAA2025), sondern bereits aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 ergebe sich die Verpflichtung, Bewerbende mit Beeinträchtigungen nicht zu benachteiligen. Karriereseiten, die nicht mit der Tastatur (statt der Maus) und einem Screenreader zu bedienen sind, stellen aber eine Benachteiligung dar. Ob das auf die eigene Karriereseite zutrifft, lasse sich mit einem Desktop-Tastaturtest, einem Mobile Zoom-Test und Tools wie Wave, Lighthouse oder Axe ganz einfach prüfen. Eine genauere Analyse macht dann die Webagentur.

Während im BFSG unklar bleibt, ob es auf Karriereseiten angewendet werden muss (Gilt die Bewerbung als „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“? Sind Bewerber Verbraucher?) sind auf Basis des AGG heute schon Schadenersatz- und Entschädigungsklagen möglich. Henner Knabenreich hat sich die Karriereseiten der 30 Erstunterzeichner*innen der Charta der Vielfalt angeschaut, die als Vorbild vorangehen müssten, und festgestellt: 90% haben kein barrierefreies Karriereportal!

  • 43% haben die Zoom Funktion auf mobilen Endgeräten deaktiviert oder Probleme mit Navigationsbuttons, die von Screenreadern nicht gelesen werden können
  • 53% haben unbedienbare Filter in der Stellenbörse, unstrukturierte Ergebnislisten, eine defekte Suchfunktion
  • 23% haben Probleme mit unlesbaren oder nicht mit der Tastatur erreichbaren Bewerbungs-Buttons
  • 67% haben nicht bedienbare Pflichtfelder im Bewerbungsformular oder eine mit dem Screenreader unlesbare Datenschutzerklärung
  • Bei 60% sind essenzielle Button Links und Texte für Menschen mit Sehschwächen nicht sichtbar (zu schwache Kontraste)

Nanu, wo bin ich denn hier auf einmal?

Ein weiteres Problem stellt für Menschen mit Beeinträchtigungen der Absprung von der Karrierewebsite zum Karriereportal (also zur Frontend-Oberfläche des Bewerbermanagementsystems, auf der die Stellenanzeigen liegen) dar. Menschen mit Beeinträchtigungen finden sich hier nicht mehr zurecht, weil plötzlich alles anders aussieht. Da kann ich mit Stolz sagen, dass ich das bei der Konzeption des Karriereportals der DRK Kliniken Berlin berücksichtigt habe: Bei uns gibt es diesen Bruch nicht. Der Bewerber merkt (u.a. durch ein angeglichenes Menü und Design) nicht, dass er beim Wechsel beispielsweise von unserer Gehaltsinformationsseite zu den Stellenanzeigen eigentlich die Website wechselt.

Henner Knabenreichs Appell: Barrierefreiheit lohnt sich – nicht nur mit Blick auf Menschen mit Behinderung. Und das sind die Gründe:

  • Alles, was man als Arbeitgeber NICHT tut, hat Einfluss auf die Arbeitgebermarke. Mangelnde Barrierefreiheit führt unmittelbar zu einem schlechteren Arbeitgeberimage.
  • Barrierefreiheit (zum Beispiel auch Texte in Leichter(er) Sprache) fördern bessere Usability für alle, nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wer auf Barrierefreiheit achtet, macht es für alle einfacher, sich zu bewerben, und erhält darum nicht nur mehr Bewerbungen von Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern von allen Bewerberzielgruppen.
  • Barrierefreiheit bietet SEO-Vorteile, denn Google bevorzugt Karriereseiten, die barrierefrei sind, und listet sie weiter oben.

Der tote Winkel der Arbeitgeberbewertungen

Auf einen letzten Vortrag vom Embrace Festival 2025 möchte ich noch eingehen: Robindro Ullah, Geschäftsführer des Trendence Instituts, sprach über Arbeitgeberbewertungen. Diese würden für ein erfolgreiches Recruiting immer wichtiger und in verschiedenen Phasen des Bewerbungsprozesses herangezogen. Während Akademiker*innen nach Trendence-Erkenntnissen ganz konkret auf Kununu und Glassdoor nach Arbeitgeberbewertungen suchen und diese beiden Plattformen die Stellenbörsen aus den Top5-Kanälen verdrängen, in denen man sich über Arbeitgeber informiert, stolpern Fachkräfte eher zufällig über die Bewertungen – und zwar auf Indeed, dort gibt es sie nämlich auf den Unternehmensprofilen auch! Und weil der Traffic auf Indeed extrem hoch ist, werden die Bewertungen dort von allen Bewerberzielgruppen sehr häufig gesehen.

Jobvoting und Careerbuilder als Bewertungsplattformen sind zwar weniger bekannt, aber dennoch nicht zu vernachlässigen. Für Google und KI sind Arbeitgeberbewertungen nämlich extrem wichtig. Wenn Bewerber*innen nach Erfahrungen mit Unternehmen suchen, werden ihnen die Arbeitgeberbewertungsportale ganz oben in der Ergebnisliste angezeigt – unter anderem auch, weil die Plattformen SEO-technisch so gut aufgebaut und auch gut vergleichbar sind. Auch das Google Gemini-Fenster, das KI Antworten auf Nutzerfragen zusammenstellt, nennt überdurchschnittlich häufig Arbeitgeberbewertungsportale als Quellen. Nur bei werbeanzeigengetriebenen Suchthemen (z.B. Stellenanzeigen) vermeidet Google KI-Antworten, weil sich die Suchmaschine das Anzeigengeschäft damit kaputtmachen würde.

Unter anderem deshalb prognostiziert Robindro Ullah, dass ChatGPT als Suchmaschine immer wichtiger werden wird. „Wenn Bewerber*innen sowieso schon bei ChatGPT ein Bewerbungsanschreiben erstellen lassen, werden sie in Zukunft auch dort gleich ihre Stellenanzeigen-Suche eingeben, statt zu Google zurück zu wechseln.“ Bereits jetzt sagen 43% der Akademik*innen, dass sie KI als erste Quelle nutzen, um Stellenanzeigen zu suchen, 40% lassen Anschreiben erstellen und 34% suchen Arbeitgeberinformationen.

Verlagert sich die Bewerbung auf ChatGPT & Co?

Je besser die Ergebnisse bei ChatGPT würden (im Moment sind sie ja noch etwas veraltet, da sie keinen Zugriff auf die ganz aktuellen Internet-Inhalte haben), so Ullah, desto mehr Fahrt werde dieser Trend aufnehmen. Weil KI-Tools aufgrund der komplexeren Anfragen und der gesamten gespeicherten Anfragenhistorie noch viel mehr über ihre Nutzer*innen wissen als Google, würden die Ergebnisse immer individueller und aus Sicht der Nutzer*innen dadurch besser. In Zukunft könnten Bewerber*innen die Künstliche Intelligenz z.B. auch fragen, welche Fragen ein konkreter Arbeitgeber auf Basis der Informationen auf seiner Website wahrscheinlich im Vorstellungsgespräch stellen wird, und noch mehr Nutzen für sich herausziehen.

Fazit: Das Thema Arbeitgeberbewertungen ist komplexer als man denkt und spielt in unterschiedlichen Kanälen und unterschiedlichen Bewerbungsphasen eine Rolle. Laut einer von Robindro Ullah zitierten Studie besuchen 57% der Bewerber*innen Arbeitgeberbewertungen schon vor der eigentlichen Jobsuche, 55% informieren sich auf Bewertungsportalen (anstatt auf Karrierewebsites) generell über potenzielle Arbeitgeber, nur 46% sagen, dass sie schon mitten im Bewerbungsprozess stecken, wenn sie auf Arbeitgeberbewertungsportale gehen. 21% gehen nach dem Vorstellungsgespräch auf Kununu & Co. (vermutlich im Entscheidungsprozess) und nur 10% nach einem Vertragsangebot oder nach der Kündigung – vermutlich, um eine Bewertung zu schreiben.

Ein allerletzter interessanter Fact vom Embrace Festival 2025: 33% der Befragten sagten, dass sie sich von Corporate Influencer*innen nicht nur Videoclips auf Social Media, sondern auch ehrliche Rezensionen und Bewertungen ihres Arbeitgebers wünschen. Dies ist sogar der am häufigsten genannte Wunsch an die Arbeitgeberbotschafter*innen!

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