Mit zwei Problemen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, schlagen sich Sozial- und Pflegeeinrichtungen herum: Führungskräfte zu finden und den Nachwuchs zu binden. Die Lösung: Trainee Programme.

Gute Führungskräfte, die gleichzeitig das Sozial- und Gesundheitswesen kennen, aber auch eine moderne, wirtschaftliche Denke mitbringen, sind rar. Dazu habe ich schon mehrere Artikel geschrieben. Und der Nachwuchs, der flattert durchs Leben wie ein Schwarm Schmetterlinge, bricht Ausbildungen, Studiengänge und Arbeitsverhältnisse ab, entscheidet sich um, hat hohe Ansprüche an Arbeitgeber. Beide Probleme lassen sich mit ein und demselben Werkzeug lösen, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: mit Trainee Programmen. Trainee Programme sind dazu da, um erstens selbst genau die Art von Führungskräften zu entwickeln, die wir in unserer Branche brauchen, anstatt sich über nur so halb passende Bewerber zu grämen, und zweitens dem Nachwuchs direkt nach dem Ausbildungs- oder Studienabschluss eine tolle Perspektive zu bieten, die ihn zur Ruhe kommen lässt und ans Unternehmen bindet.

Was bewegt die Generationen Y und Z als Zielgruppe für Trainee Programme?

Es wird häufig geklagt, dass man die Generation Y und Z nicht verstehe. Ihre hohen Ansprüche, die Wankelmütigkeit. Wie können Arbeitgeber damit umgehen? Dazu habe ich schon mehrere Artikel geschrieben. Mehr als jede sozialwissenschaftliche Statistik hilft es, einfach mal den jungen Leuten, die Trainee-Programme absolvieren oder absolviert haben, selbst zuzuhören. So habe ich kürzlich ein Interview mit Karina Winterlik (siehe Foto oben) geführt, 28 Jahre alt und ab März Hausdirektorin in einem Neubauprojekt der Ev. Heimstiftung in Heidenheim in der Nähe von Stuttgart. An dem, was sie sagt, sieht man ganz wunderbar, was den Nachwuchs bewegt:

1.      Junge Leute haben den Mut zu suchen, was ihnen wirklich liegt

Karina ist zuerst wie so viele in die Falle getappt, einen dieser neuen Bachelor Studiengänge zu wählen, bei dem man am Ende eigentlich gar nicht weiß, was man damit machen soll. Solche Fälle habe ich sehr häufig in der WhatsApp Karriereberatung. Arbeitgeber kennen die Studiengänge nicht, wissen nicht, was sich dahinter verbirgt und ob die Absolventen für ihre freien Stellen taugen. Bei gesetzlich geregelten Berufen sind die Studiengänge als Zugangsvoraussetzung teils gar nicht anerkannt. Den Dozenten gelingt es nicht, ihren Studierenden Berufsorientierung zu vermitteln.

Karina erzählt: „Ich habe mich für das Bachelor-Studium Gesundheitsförderung entschieden, das ich auch abgeschlossen habe, aber danach wusste ich immer noch nicht, was ich damit beruflich anfangen soll. Ich habe ein Praktikum in einem Wirtschaftsunternehmen im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement gemacht, aber das war nicht meins. Also habe ich mich entschlossen, einen zweiten Bachelorstudiengang zu belegen. Andere würden sagen: „Wie kann man sowas machen!“ Aber für mich war es ein Glücksgriff!“ Karina hat dann Sozialmanagement studiert mit dem ganz konkreten Ziel, Heimdirektorin zu werden, und ist schließlich im Trainee Programm der Ev. Heimstiftung untergekommen. Genau wie Petra K. (34) aus Berlin, die Trainee bei der Stephanus Stiftung in Berlin war. „Ich habe zuerst etwas ganz anderes studiert, unter anderem Islamwissenschaften, und neben dem Studium in der Pflege gearbeitet“, erzählt die junge Frau, die seit zweieinhalb Jahren Heimleiterin im Haus Müggelspree ist. „Schon nach der ersten Schicht war ich total begeistert, weil das ein tolles Haus war, tolle Bewohner, ein tolles Team, und mir neben dem sehr theorielastigen Studium die direkte Arbeit mit Menschen sehr zugesagt hat. Mir wurde klar, dass ich in diese Richtung gehen wollte.“ Das berufsbegleitende Studium Sozialmanagement wurde ihr Weg.

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Die Geschichten zeigen, wie junge Leute heute nicht mehr in die Quarterlife Crisis verfallen, nur weil sie nicht gleich im ersten Anlauf die richtige Ausbildung gefunden haben, sondern vorwärts orientiert denken und einfach nochmal neu starten – auch entgegen der Kritik oder Verblüffung von Freunden und Familie. Manche entscheiden sich trotz Abitur und angefangenem Studium dann doch lieber für eine Ausbildung – und begreifen das ganz und gar nicht als Rückschritt. So wie Gina (21), die ihr Lehramtsstudium schmiss, um Altenpflegerin zu werden: „Ich bin ein Mensch, der sehr quirlig ist und sehr viel redet. Während des Studiums bin ich plötzlich ganz still geworden. Meine Familie hat gemerkt, dass mir das nicht gut tat, und ist stolz auf mich, dass ich mich selbst aus der Situation befreit habe. Alle haben gesehen, dass ich in die Pflege gehöre. Einen Beruf zu finden, der einem so sehr entspricht, ist so schön, das kann man mit Geld nicht aufrechnen. Meine Freunde sehen es eher unter dem Aspekt, dass ich Geld verdienen wollte. Aber es wäre mir auch egal, wenn mich jemand kritisiert. Ich würde sagen: Mir ging es während des Studiums einfach nicht gut! Ich habe es versucht und am eigenen Leib erfahren, dass ich etwas anderes machen muss.“ Ginas langfristiges Ziel ist es, vielleicht Heimleiterin, vielleicht aber auch Heilpraktikerin zu werden. Also werden Trainee Programme vielleicht eines Tage für sie auch interessant. Ein bisschen Unentschlossenheit ist weiterhin da – aber Gina ist ja auch erst 21.

Und wie können Arbeitgeber damit umgehen?

Betrachtet die anfängliche Wankelmütigkeit nicht als Schwäche der jungen Generation. Helft ihnen, sich zu orientieren. Findet in regelmäßigen Mitarbeitergesprächen und Feedbackbögen schon früh heraus, wer sich in der Ausbildung fehl am Platz fühlt, bietet ihm Alternativen an, bevor der Frust so groß wird, dass der junge Mitarbeiter euch verlässt.

Manchmal ist eine Neuorientierung auch nicht unbedingt selbst gewollt. Linda Kolossa (31) ist Praxisanleiterin bei der Diakonie Riesa-Großenhain und hat nach dem mittleren Schulabschluss Ergotherapeutin gelernt: „Nach drei Jahren Ausbildung habe ich leider die Prüfung nicht bestanden. Das war ein steiniger Weg, aber heute hilft mir diese Erfahrung, mich in die Azubis hineinzuversetzen und ihre Sorgen zu verstehen. Nach einem Übergangsjahr habe ich meine Altenpflege-Ausbildung gemacht und es diesmal auch geschafft!“ Junge Leute wie Linda brauchen umso mehr jemanden, der ihnen hilft, in die richtige Spur zu finden, anstatt sich über die klischeehafte Unzuverlässigkeit der Generationen Y und Z zu beschweren.

[WERBUNG] Dazu, wie man ein gutes Trainee Programm konzipiert, gibt es einige Literatur. Nicht alles, wo Trainee Programm draufsteht, ist auch qualitativ hochwertig und führt sowohl für die Teilnehmenden als auch für das Unternehmen zum Ziel. Wie Sie es richtig hinbekommen, erklärt das “Handbuch Traineeprogramme” von Christine Wegerich (Schäffer Poeschel Verlag, 2013; Amazon Affiliate Link).

2. Junge Leute stecken sich schon früh hohe Ziele

Der erste Ausbildungsabschluss ist für junge Leute nicht das Ziel, sondern gerade erst der Anfang. Danach erstmal in Ruhe ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln, um später weitersehen? So denkt der Nachwuchs nicht. Nach einigen Irrungen und Wirrungen mit verschiedenen Ausbildungswegen (siehe oben), ist das Ziel dann klar. Oder zumindest ist klar, dass man sofort nach der Ausbildung weiterkommen will. Weiter lernen, neue Ziele anpeilen. Selbstbewusst wird das ausgesprochen, ein Mentor und ein Weg dorthin gesucht. Einige Beispiele:

  • “Die Intensivmedizin hat mich während meiner Ausbildung so überwältigt, dass ich da unbedingt hin musste!”, erinnert sich Krankenpflegerin Stefanie. Mit einem Weiterbildungsstipendium des Bundesbildungsministeriums konnte sie gleich nach dem Ausbildungsabschluss die Fachweiterbildung Intensivpflege machen.
  • Karina Winterlik, die 28jährige Heimdirektorin aus Heidenheim, sagt: „Nach meinem zweiten Bachelorabschluss hätte ich bei meinem Träger bleiben können, er bot mir eine Stelle in der Verwaltung an. Aber das hat mir als Perspektive nicht gereicht. Ich habe im Internet recherchiert, wie man Heimleitung wird, und bin auf das Trainee Programm der Ev. Heimstiftung gestoßen.“
  • Petra K. vom Haus Müggelspree in Berlin-Köpenick erinnert sich an den Moment, in dem sie den Grundstein für ihre Karriere legte: „Ich habe den Einrichtungsleiter gefragt: „Was muss ich tun, um eines Tages Ihren Job zu machen?“ Weil mir der Weg über die Ausbildung zur Altenpflegerin zu lange dauerte, habe ich nebenberuflich Sozialmanagement studiert und währenddessen als „Trainee zur Einrichtungsleitung“ in der Stephanus-Stiftung angefangen. Ich war die erste, die dieses Programm absolviert hat. Danach habe ich ein Jahr als Referentin der Geschäftsführung gearbeitet und bin jetzt seit zweieinhalb Jahren Einrichtungsleiterin.“

Beeindruckend, wie die jungen Leute angebotene Stellen ausschlagen, weil sie sicher sind, etwas Besseres zu finden, selbstbewusst gegenüber viel älteren Führungskräften auftreten und klar formulieren, was sie wollen.

Und wie können Arbeitgeber damit umgehen?

Bietet dem Nachwuchs Perspektiven – zum Beispiel in Form von Trainee Programmen. Gebt den jungen Leuten nicht nach dem Ausbildungsabschluss einfach einen Übernahmevertrag und denkt, damit seien sie jetzt glücklich. Personalentwicklung fängt schon während der Ausbildung an. Welche Azubis sind viel versprechend? Welche Weiterbildung kann man ihnen anbieten? Auf welche Position, die innerhalb der nächsten fünf Jahre frei werden wird, könnte man sie hin entwickeln? Wenn Sie sie nicht von selbst äußern, fragt sie nach ihren Plänen, anstatt überrascht zu sein, wenn sie später ein Vertragsangebot ausschlagen. Wenn ihr früher mit ihnen ins Gespräch gekommen wärt, hättet ihr vielleicht gewusst, dass sie schon längst andere Pläne haben, und diese Pläne mitgestalten können.

Natürlich kann man jetzt fragen: Ja, aber wer soll denn die Pflege machen, wenn jeder Azubi nach der Ausbildung gleich weiter will? Wir brauchen sie doch auf den Fachkraftstellen! Aber nur weil jemand eine Weiterbildung macht, ist er ja noch nicht gleich weg. Erstmal dauert die Weiterbildung ihre Zeit. Und man kann einen Vertrag abschließen, der den Mitarbeitenden verpflichtet, nach der Weiterbildung noch mindestens zwei Jahre in der Einrichtung zu bleiben oder das Geld dafür zurückzuzahlen. Abgesehen davon sind auch nicht alle jungen Leute auf der Überholspur unterwegs. DIE Generation Y gibt es sowieso nicht, wie in jeder Generation bringt sie unterschiedliche Charaktere hervor. Linda Kolossas Karriere hat sich zum Beispiel etwas defensiver entwickelt: „Ich wurde nach der Ausbildung übernommen, habe zwei Jahre Berufserfahrung gesammelt und wurde dann angesprochen, ob ich nicht Lust auf die Weiterbildung zur Praxisanleiterin habe. Niemand anders konnte sich vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen und mir hat es schon immer Spaß gemacht, junge Leute an die Hand zu nehmen“, erzählt sie. Aber obwohl die Initiative nicht von ihr selbst kam, hat sie sich – typisch Generation Y, wenn es ein typisch gibt – etwas zugetraut und sich über die Chance gefreut.

[WERBUNG]  Trainee Programme im Sozial- und Gesundheitswesen gibt es noch nicht so lange. Das ist ein guter Grund, um die Vorreiter einmal unter die Lupe zu nehmen. Das tut die Masterarbeit “Trainee-Programme im Gesundheitswesen: Nachwuchsförderungsinstrumente in der stationären Alten- und Krankenpflege” von Katrin Möller (Bachelor und Master Publishing, 2012; Amazon Affiliate Link).

3. Junge Leute suchen spannende Aufgaben

Ob eine völlig neue Arbeitsweise in der ambulanten Pflege wie beim niederländischen Start up Anbieter Buurtzorg, der jetzt auch nach Deutschland kommt, oder eine Einrichtung mit Multi-Kulti-Konzept, die bewusst einen hohen Anteil an Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund einstellt – alles was neu und anders klingt und die verstaubte Pflege, Betreuung und Begleitung innovativ aussehen lässt, finden junge Leute toll. Die so genannte WohnenPLUS-Residenz, die Karina Winterlink als Heimdirektorin übernimmt, ist kein normales Pflegeheim. „Das ist auch etwas, was mich an meiner Aufgabe sehr gereizt hat!“, gibt Karina zu. „WohnenPLUS ist ein Haus mit Pflegewohnungen, einer Pflege-WG und einem ambulanten Pflegedienst der Heimstiftung. Der Pflegedienst versorgt die Bewohner, doch betreut werden sie Tag und Nacht von einem Team aus Alltagsbegleitern. Das Haus liegt zentral in der Stadtmitte und ich habe es von Anfang an mit konzipiert und aufgebaut. Derzeit bin ich oft auf der Baustelle und überwache den Kücheneinbau, bevor im März die ersten Bewohner einziehen.“ Nicht nur IT-Studenten träumen von Start up Atmosphäre und Gründererfolg. Auch der Nachwuchs in den Sozial- und Pflegeberufen möchte die Welt verändern, neue Dinge tun, mit denen er sich auch beruflich von den vorherigen Pflege- und Erziehergenerationen abgrenzen kann. Interessante Projekte und neue Ansätze sollten wenn nicht vorhanden eigens für die Trainee Programme oder in den Trainee Programmen entwickelt werden. Praxisanleiterin Linda Kolossa sieht sich gern als „Azubi-Versteherin“. Sie hat die ihr übertragene Verantwortung genutzt, um einige Änderungen einzuführen. So hat sie gegen viel Widerstand durchgesetzt, dass Azubis und erfahrene Pflegekräfte ihre Pausen im selben Raum verbringen, um das Teambuilding zu fördern. Neue Generation, neue Ideen!

Und wie können Arbeitgeber damit umgehen?

Nutzt die Neugier auf neue Ansätze, die die Generationen Y und Z mitbringen, um eure eigene Organisation voranzubringen. Nutzt ihren Schwung, um Start up-ähnliche Strukturen, Apps und neue Konzepte für Pflege und Betreuung auszuprobieren, denn das müsst ihr als Organisation sowieso tun, um in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung mitzuhalten. Im Grunde ist das die dritte Fliege, die hier mit derselben Klappe geschlagen wird: Organisationsentwicklung durch Nachwuchsarbeit.

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Nachwuchsgewinnung | Generation Y

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